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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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Wald siehst, dann läßt du ihn laufen.«
    »Ich schwöre es«, sagte Sigfrid schnell. »Ich würde niemals...«
    »Was?« fragte Regin scharf, trat näher an Sigfrid heran und sah ihn böse an.
    »... etwas anderes als einen Hirsch töten«, sagte Sigfrid leise, »ich würde einen Zwerg erkennen, der bei Tag eine andere Gestalt angenommen hat...«
    »Du erinnerst dich also!« sagte Regin und stieß Sigfrid den Zeigefinger in den Bauch. »Was weißt du noch?«
    »Ich weiß nichts ... nur das.«
    »Sonst nichts?«
    »Nein... nichts.«
    Regin musterte ihn lange und trat schließlich ein paar Schritte zurück. »Aha«, murmelte er mehr zu sich selbst und sagte dann zu Sigfrid: »Du solltest dich gründlich waschen, ehe du zur Halle zurückkehrst. Mit dem Blut im Gesicht und an deinen Händen wird man dich sonst für einen Troll oder einen Werwolf halten.« Sigfrid blickte auf den offenen Brustkorb des Hirschs, und erst jetzt wurde ihm bewußt, was er getan hatte, und was Alprecht oder seine Mutter - von den anderen ganz zu schweigen - denken würden, wenn sie ihn so sahen. Ihm wurde flau. Er legte die Hand auf den Mund, als wolle er die Spuren seiner Tat verbergen, und spürte das verkrustete Blut auf den Lippen. »Dummkopf«, sagte Regin, ging in die Höhle, tauchte ein Tuch in das warme Wasser und reichte es Sigfrid. »Natürlich hast du dir nicht überlegt, was andere denken. Sei vorsichtig in der Halle und wenn du nicht allein auf die Jagd gehst.«
    Er strich sich wieder über den Bart und sah Sigfrid an. »Und mach mir jetzt nicht vor, dir sei übel. Ich weiß sehr wohl, daß es nicht stimmt«
    Der Zwerg nahm den Stahl mit der Zange aus dem Wasser und legte ihn auf den Amboß. Dann begann er, ihn mit festen gleichmäßigen Schlägen flach zu hämmern. Sigfrid hielt noch immer das tropfende Tuch in der Hand und lauschte auf den lauten, vertrauten Klang des klirrenden Metalls. Dann begann er, sich sorgfältig das Gesicht zu waschen. Regin hatte recht. Sein Magen revoltierte nicht, und das Gefühl des Erschreckens und der Verlegenheit hatte sich bereits wieder gelegt. Er trocknete langsam Mund und Hände und nahm sich vor, das Blut von der Hose und der Tunika im Bach auszuwaschen, ehe er zur Halle zurückkehrte. Bestimmt würden einige Flecken zurückbleiben, aber das war bei ihm nichts Neues.
    In dieser Woche brachte Sigfrid dem Schmied jeden Tag frisches Brot und Wein. Schließlich lag das fertige Schwert auf dem Amboß. Das verschlungene Muster der unterschiedlichen Metalle schimmerte stumpf in der blassen Nachmittagssonne, die durch den Eingang der Höhle fiel.
    »Bitte«, sagte Regin, »nur zu. Nimm es in die Hand.« Das ließ sich Sigfrid nicht zweimal sagen. Er nahm das Schwert und ließ es spielerisch wie beim Üben durch die Luft zischen. Die Klinge war so vollkommen ausgewogen, daß ein einziges Haar das Gleichgewicht gestört hätte. Es lag sehr leicht, beinahe unangenehm leicht in seiner Hand, als sei das Gewicht des Stahls für seinen langen kräftigen Arm zu gering.
    »Ist das ein Schwert, um einen Drachen zu töten?« überlegte er laut. Gewiß, es war die meisterhafte Arbeit eines Schmieds, ein Schwert, auf das ein Edelmann stolz sein konnte. Aber Sigfrid glaubte, sein Arm kenne eine andere Klinge mit einem anderen Gewicht. Seine Hand wußte um den glatten Griff eines anderen Schwerts, dessen Stahl mühelos alles schnitt - auch Stein.
    Sigfrid holte aus und schlug mit aller Kraft auf den steinernen Amboß. Die Klinge zerbrach mit dem Geräusch von berstendem Eis am Ende des Winters, und unzählige Stahlsplitter flogen durch die Luft.
    Einer streifte Sigfrids Stirn, ein anderer drang in seine Schulter. Dicht hinter ihm stöhnte Regin laut auf.
    Nur ein kurzes verbogenes Stück am Griff war von der Klinge übriggeblieben. Sigfrid blickte enttäuscht, aber nicht überrascht darauf. Als er das Metall berührte, war es so heiß, daß er sich die Fingerspitze verbrannte.
    Sigfrid wischte sich das Blut aus den Augen und zog den Splitter aus der linken Schulter.
    Ein dumpfer Schmerz breitete sich dort aus, als er den Stahl entfernte.
    »Du Dummkopf!« rief Regin heiser. In seinen grauen Haaren zeigte sich ein dunkler Fleck, und bald rann ihm das Blut über die rußige Stirn. Er hielt sich mit der einen Hand den Kopf, während er mit der anderen nach einem geeignetem Verband suchte. »Wolltest du uns beide umbringen? Du kannst von Glück reden, daß du nicht für den Rest deines Lebens ein Krüppel

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