Rheingold
Hreidmar ...«, begann Regin. Am Feuer war es Sigfrid zu warm, deshalb ging er zur Rückseite der Höhle und lehnte sich an die kühle Wand. Er blickte in die rote Glut und auf die blauen Flammen, die aufflackerten, wenn der Wind über die graue Asche wehte. Er trank Regins Bier, das ihn angenehm benommen machte, und hörte dem Zwerg zu, der von den drei Wanderern berichtete und Otturs Wergeld. Die Worte versetzten Sigfrid in eine Art Trance. Er glaubte plötzlich, im Feuer ein Lachen zu hören und eine hohe Stimme, die spöttisch rief:
Er sagt dir nicht die Wahrheit... Er sagt dir nicht die ganze Wahrheit. Frag ihn, wer Hreidmar erstochen hat. Frag ihn, wer das Gold aus der Halle geschleppt hat.
»Mein Bruder Fafnir war der stärkere von uns. Das Gold raubte ihm den Verstand«, erzählte Regin. Hatte der Zwerg auch die Stimme gehört? Sigfrid sah ihn an, aber Regin blickte nicht ins Feuer und auch nicht zu Sigfrid, sondern starrte auf die Decke der Höhle. »Er hat unseren Vater umgebracht. Er ist mit dem Gold zum Drachenfels geflohen. Dort kannte er eine Höhle der Römer, die im Berg nach Erz gegraben hatten. Durch die Tarnkappe wurde er ein Drache. Deshalb habe ich meinen Anteil am Wergeld meines Bruders nicht bekommen und auch nicht das Erbe meines Vaters.«
Er sagt dir nicht die ganze Wahrheit. Er erzählt nur den einen Teil der Geschichte. Frag ihn, warum er zu den Zwergen geflohen ist. Höre auch mich, denn ich bin Loki, dein Freund. Regin wird dich betrügen. Er will das ganze Gold.
Sigfrid bekam einen trockenen Mund. Der Rauch in der Höhle legte sich ihm beklemmend auf die Brust. Glühende Augen starrten ihn aus dem Feuer an. Er wehrte sich gegen den höhnischen Blick und dachte empört: Ich habe von Regin bisher nur Gutes bekommen. Seine Ratschläge waren immer klug und richtig. Der Sinwist wollte dir nicht glauben. Warum sollte ich dir vertrauen? Aus dem Feuer kam keine Antwort. Aber die Hitze nahm zu, und Sigfrid hatte das Gefühl, in einem tiefen Brunnen zu sitzen. Regin füllte sich den Becher mit Bier. Bei diesem vertrauten alltäglichen Anblick fühlte sich Sigfrid unvergleichlich stärker mit Regin verbunden als mit dem unheimliches Wesen, das aus dem Feuer zu ihm gesprochen hatte. Der listige Loki kann das Vertrauen zwischen uns nicht erschüttern.
»Erzähl mir von der Tarnkappe«, bat er Regin, »ist die Tarnkappe der Grund dafür, daß niemand Fafnir töten kann? Selbst dem gefährlichsten aller Ungeheuer wäre es doch sonst nicht gelungen, den Schatz so lange vor den Menschen zu schützen.«
Regin blickte in den Becher und schwieg. Dann sagte er leise: »Die Zwerge haben in alter Zeit die Tarnkappe geschmiedet, und sie gehörte zu Andvaris Schatz. Außer seinem Ring war sie das Kostbarste. Deshalb können die Zwerge Fafnir nie verzeihen. Wäre der Drache nur ein Ungeheuer, könnte man ihn erschlagen ... vermutlich wäre er schon seit langem besiegt, obwohl man dazu viele tapfere Krieger brauchen würde. Weder seine Stärke noch das Gift, das er speit, hätten eine große Streitmacht davon abhalten können, ihn zu töten, um das Rheingold zu gewinnen. Aber der Drache ist Fafnirs Geist, dem die Tarnkappe die Macht verleiht, namenlosen Schrecken zu verbreiten. Deshalb wagt sich kein Mensch in die Nähe des Drachenfels. Niemand wagt, die Augen zu der Höhle zu heben, in der Fafnir haust, denn kein Mensch hat so klare und reine Augen, daß er den niemals schlafenden Drachen furchtlos ansehen oder den Schrecken der Tarnkappe ertragen könnte, die auf dem Drachenkopf sitzt. Als dein Vater Sigmund noch lebte, glaubten manche, er werde den Mut haben, den Kampf mit Fafnir zu wagen. Mir bleibt nichts anderes übrig, als zu warten und mein Schicksal zu ertragen, bis die schreckliche Schuld an unserem Vater gerächt ist.«
»Du hast wirklich viel verloren«, sagte Sigfrid nachdenklich, »und Fafnir hat seinen Geschwistern übel mitgespielt.« Er stand auf, streckte sich vorsichtig, damit er nicht gegen die Decke der Höhle stieß und blickte auf den Zwerg hinunter. Dann kauerte er sich vor Regin, legte ihm die Hände auf die Schulter und sah ihm in die Augen. »Mach mir ein Schwert«, forderte er ihn auf, »da du nicht willst, daß ich dein Handwerk lerne, mußt du es für mich machen. Du mußt mir ein Schwert schmieden, das besser ist als alle anderen Schwerter... ein Schwert, mit dem ich die Taten vollbringen kann, die meinem Mut entsprechen. Nur dann kann ich Fafnir für dich töten.«
»Und du
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