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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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begann, sich zu kämmen.
    Hilkar zuckte mitfühlend zusammen, wenn Sigfrid auf eine besonders verfilzte Strähne stieß. »Oh, das tut ja beim Zusehen weh!« rief er gequält.
    »Dann sieh eben nicht hin und mach die Augen zu.«
    »Uhhh!« Der junge Mann schloß die Augen und drehte sich zur Wand. Es dauerte lange, bis Sigfrid mit den Fingern durch die Haare fahren konnte, ohne auf verfilzte Stellen zu stoßen, aber schließlich hatte er es geschafft. Er öffnete die Truhe, in der er seine Sachen aufbewahrte, und holte seine beste Tunika und eine dunkelblaue Hose heraus. Dann wischte er mit einem Lappen die Schuhe sauber. Seit den Winternächten hatte Sigfrid seine guten Sachen nicht mehr getragen. Die Hose war ihm inzwischen zu kurz, und die Tunika saß so eng über den Schultern, daß er sich nur vorsichtig bewegen konnte, damit die Nähte nicht platzten. Er schüttelte seinen Umhang aus und klopfte ihn sorgfältig ab, ehe er ihn über die Schulter legte und mit einer breiten römischen Goldspange befestigte. Er rieb die silberne Gürtelschnalle, bis die ineinander verschlungenen Schlangen glänzten, und schob den goldenen Armreif über den rechten Unterarm bis zum Ellbogen. Als Sigfrid die Tür öffnete, um hinauszugehen, sah ihn Hilkar prüfend an. Er legte eine Hand über die Augen, als sei er geblendet. »Wer bist du?« fragte er, »du siehst Sigfrid kaum mehr ähnlich! Bei den Göttern, du siehst beinahe wie ein Mensch aus ...« Aber Sigfrid hörte sehr wohl die aufrichtige Bewunderung hinter der bissigen Bemerkung.
    »Ich wünsche dir ein schönes Julfest, Hildkar!« rief er lachend und lief hinaus.

    *

    Herwodis stand unverrückbar wie ein Baum in der Mitte der Halle und gab den Mägden und Knechten Anweisungen, die geschäftig Bänke und Tische aufstellten, die Wände mit Tannenzweigen und Stechpalmen schmückten und Brennholz herbeischleppten. Herwodis trug unter einem dunkelgrünen Umhang ein leuchtend rotes, kostbar besticktes Kleid. Ihre Zöpfe mit eingeflochtenen Silberfäden waren mit goldenen Haarnadeln aufgesteckt, in denen Granate funkelten.
    Sie sieht wirklich wie eine Königin aus, dachte Sigfrid ehrfürchtig. Er zwang sich, tief einzuatmen, um sich seine Aufregung nicht anmerken zu lassen, und näherte sich langsam seiner Mutter. »Sigfrid«, sagte Herwodis lächelnd, als sie ihren Sohn bemerkte, »wie schön, dich zu sehen. Wir haben uns schon gefragt, ob du zum Julfest überhaupt hier sein würdest.«
    »Tut mir leid, daß ich nur selten da bin«, erwiderte Sigfrid beinahe ebenso langsam und bedächtig wie seine Mutter. »Ich hoffe, daß du dir deshalb keine Sorgen gemacht hast.«
    »Ein Mann in deinem Alter geht seine eigenen Wege«, sagte Herwodis. »Außerdem weiß ich, daß Regin dir kluge Ratschläge gibt. Da wir gerade von ihm reden, soll ich ihm für das Fest einen Platz richten?«
    »Ich weiß nicht, Mutter. Wie ich sehe, hast du bis heute abend noch viel zu tun. Könnte ich trotzdem allein mit dir sprechen?«
    »Aber natürlich.«
    Herwodis klatschte in die Hände. Sie schien kaum die Stimme zu heben, aber selbst die Wandbehänge und die Teppiche auf dem Steinboden schienen ihre weithin tönenden Worte kaum zu dämpfen, als sie rief: »Claudia, bring uns Wein und die besten Gläser! Alle anderen sollen hinausgehen. Jeder weiß, was er zu tun hat.«
    Herwodis führte Sigfrid zu den erhöhten Ehrenplätzen am Ende der Halle. Sie nahm nachdenklich auf ihrem Sitz Platz und bedeutete Sigfrid, sich dorthin zu setzen, wo normalerweise Alprecht saß. »Also, mein Sohn«, sagte sie, als Claudia den Wein gebracht und sie allein gelassen hatte, »was beschäftigt dich?« Sie hob den kostbaren Glaskrug und füllte die Gläser.
    Sigfrid nahm den bläulichgrünen Pokal und drehte langsam den langen Stiel zwischen den Fingern, ehe er trank.
    »Ich habe Regin gebeten, mir ein Schwert zu machen«, sagte er und trank. »Er hat mir ein Schwert mit seiner Schmiedekunst gemacht und ein zweites mit Zauberkraft.« Er mußte
    husten und trank schnell einen Schluck Wein. » ... ich habe beide zerbrochen. Er hat mir geraten, mit dir zu sprechen.«
    Leise fügte er hinzu: »Er war sehr wütend auf mich.« Er trank noch einen Schluck, denn der süßbittere Wein mit dem Wermutgeschmack schmeckte ihm heute besonders gut. Herwodis blickte stumm in ihr Glas, hob es und trank langsam. Als sie den Pokal abstellte, war er beinahe leer.
    »Das kann ich mir vorstellen«, sagte sie. »Wie hast du die Schwerter denn

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