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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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sich noch nie in einer Schlacht bewährt hatte. In diesem Augenblick senkte sich ein Gewicht auf ihn herab und vertrieb das schwindelerregende Hochgefühl. Doch sein Blick blieb klar, bis er jedes Barthaar im Gesicht seiner Getreuen so deutlich sah wie einen Blitz am schwarzen Himmel. Er sprang vom Felsen und stand zwischen ihnen. Er überragte Klodmar, den Größten im Gefolge,
    um einen Kopf. Die Männer schlugen ihm auf Schultern und Rücken und verpaßten ihm liebevolle Stöße, die einen Mann ihrer Größe und ihrer Stärke umgeworfen hätten. Sigfrid lachte gutmütig über das rauhe Spiel.

    *

    Die nächsten Tage vergingen mit fieberhafter Arbeit. Sigfrid erwachte vor Tagesanbruch und ging erst zu Bett, wenn es schon lange dunkel war. Die Schiffe, auf denen Alprecht in den Norden gesegelt war, mußten repariert werden. Muskeln, die durch den frühen winterlichen Müßiggang begonnen hatten zu erschlaffen, strafften sich wieder, als würden die Kampfspiele bald beginnen. Die Alten waren mit den jungen Männern Tag für Tag draußen auf dem Rhein, lehrten sie segeln und warnten sie vor den Gefahren von Wellen und Strömungen, die ihnen auf offener See begegnen würden. Die Frauen der Halle und die der Gefolgsleute webten die wollenen Segel, die kreuzweise geflochten wurden, damit sie den Winden standhalten würden, die die Männer an der Rheinmündung erwarteten. Sigfrid hatte das Gefühl, keinen Schritt tun zu können, ohne über Regin zu stolpern, der das Holz der Schiffe auf Schwachstellen untersuchte und prüfend mit seinen schwieligen Fingern über die Verbindungsstellen fuhr. Wenn er die geringste Unsauberkeit entdeckte, schimpfte er so lange, wie er brauchte, um sein Werkzeug aus dem Lederbeutel zu holen und das Holz zu einem nahtlosen Ganzen zu verbinden. Die Ausstattung der Schiffe wuchs in dem Maß, wie die Schätze in Sigmunds Truhen abnahmen.
    In den ersten Winternächten schlachtete Herwodis zu Ehren der Geister ihrer Ahnen und der Beschützer ihres Hauses einen Stier. Ihre Stimme zitterte nicht, als sie die Idisen um eine sichere Reise für ihren Sohn bat, um Schutz und Sieg in der Schlacht und um eine friedliche Heimkehr. Aber als sie den Namen ihres Bruders Gripir aussprach, während sie das Brot verteilte und den Wein ausgoß, sah Sigfrid Angst in ihren Augen, und ihm fiel auf, daß er nie danach gefragt hatte, wie Gripir gestorben war.

    *

    Einen Tag nach Neumond, im Blotmond, kam Regin nach Einbruch der Dunkelheit zu Sigfrid, um ihm zu sagen, daß die Schiffe bereit für die Reise waren.
    »Sie sind so gut gemacht, wie man sie überhaupt machen kann«, krächzte der alte Schmied mißmutig, als Sigfrid ihm die Tür öffnete. »Ich glaube, du kannst die Männer zusammenrufen und bei Tagesanbruch auslaufen.« Als er mit seinem zerfurchten Gesicht zum Himmel aufblickte, versilberte die schmale Mondsichel seinen schmutziggrauen Bart und machte aus den eingesunkenen Augen dunkle Seen. »Das Wetter wird mindestens einen oder zwei Tage halten. Danach rate ich dir, nichts zu essen, was du nicht zweimal sehen möchtest!«
    Regin lachte kurz und spöttisch.
    Sigfrid zuckte nur mit den Schultern. »Komm herein und trinke einen Schluck Wein mit mir«, sagte er, »das wird dir helfen, besser zu schlafen, wenn du dir Sorgen wegen der Fahrt machst.«
    »Ich? Warum sollte ich mir Sorgen machen? Ich komme nicht mit.« Sigfrid blickte auf seinen Ziehvater hinunter und lächelte, so unbeschwert er konnte. »Natürlich kommst du mit mir«, sagte er. »Wer soll verhindern, daß ich in Schwierigkeiten gerate, wenn du nicht dabei bist? Wer soll unsere Schwerter und Speere schärfen?«
    »Welcher Krieger kann das nicht selbst tun?« brummte Regin. »Ich begleite dich nicht. Glaubst du vielleicht, Zwerge sind dazu geschaffen, über das Meer zu fahren?«
    »Aber du wirst doch mitkommen, nicht wahr? Du machst nur Spaß, oder?« Sigfrid kauerte sich auf den Boden und legte Regin die Hände auf die breiten Schultern.
    »Inzwischen solltest du mich nicht mehr brauchen«, erwiderte der Schmied ungnädig. Aber Sigfrid hörte, daß seine Stimme leicht schwankte. »Du hast diesen verrückten jungen Männern Gold, Ruhm und die Möglichkeit versprochen, zusammen mit dir zu sterben.
    Ich will keinen Ruhm, ich will nicht sterben, und in Fafnirs Höhle liegt weit mehr Gold als in allen Nordländern zusammen. Nein, ich fahre nicht mit.«
    »Warum nicht?«
    »Weil du gegen meinen Rat handelst. Töte zuerst Fafnir, dann gehe ich mit

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