Rheingold
Gold in roten Bächen zerrann und zu feurigen Schlangen wurde und alles zu Asche verbrannt war. Das Feuer glühte die ganze Nacht, während die Krieger feierten; am Morgen erwachten sie vom Geschrei und dem Flügelschlagen großer Seeadler, die am Strand die Leichen der Feinde entdeckt hatten. Mit brennenden Ästen, die sie mit der letzten Glut des Scheiterhaufens entzündet hatten, setzten Sigfrids Männer die Halle und die umstehenden Häuser und Hütten in Brand. Dann marschierten sie weiter. Sie kehrten nicht zu den Schiffen zurück, sondern schlugen den Weg durch den Wald ein, der an dem breiten Fluß entlangführte. Einige der Frauen hatten ihnen berichtet, daß flußaufwärts ein reiches Dorf lag, mit dem ihr Drichten wegen alter Handelsrechte im Streit gelegen hatte. Auch dieses Dorf würde Sigfrid niederbrennen.
Sie hörten die Hirsche, bevor sie den Kampfplatz erreicht hatten. Der Weg machte einen weiten Bogen und führte sie auf eine Lichtung. Aber noch unter den hohen Bäumen blieb der Trupp wie angewurzelt stehen, denn ihren staunenden Blicken bot sich ein ungewöhnliches Schauspiel. Viele hatten schon in Alprechts Land den Kampf von Hirschen gesehen, aber so etwas wie diese Hirsche noch nie. Sie waren beide so groß wie alemannische Pferde. Den ausladenden Geweihen nach mußten es Vierzehn- oder Sechzehnender sein. Sie kämpften offenbar nicht um die Vorherrschaft, sondern um Leben und Tod. So unerbittlich prallten sie aufeinander, daß die Bäume bebten und Blut spritzte, wenn die scharfen Hufe den Gegner trafen, die Geweihe sich verhakten und sie die Köpfe verdrehten, um sich gegenseitig zu Fall zu bringen. Der Kampf war in der Entfesselung aller Kräfte dieser majestätischen Hirsche furchteinflößend und grausam. Sigfrid und seine Männer hielten wie gebannt den Atem an und konnten den Blick nicht von den beiden Tieren wenden, die in ihrer Raserei die Menschen nicht zu bemerken schienen. Der Kampf schien kein Ende zu nehmen, bis ein Hirsch plötzlich auf dem nassen Laub ausrutschte und in die Knie ging. Der Vorderhuf des anderen zerschmetterte ihm im nächsten Augenblick den Schädel. Doch während der tödlich Getroffene in den letzten Zuckungen lag, hob er das Geweih und bohrte die spitzen Zacken tief in den Bauch des Gegners. Der aufgespießte Hirsch stieß einen markerschütternden Schrei aus und wollte sich instinktiv befreien, indem er sich aufbäumte, aber es war zu spät. Beide Hirsche lagen mit blutenden Leibern auf dem zertrampelten Moos.
Sigfrid hörte, wie hinter ihm jemand flüsterte: »Das geht nicht mit rechten Dingen zu!« Ein anderer fragte beklommen: »Was hat das zu bedeuten?«
Sigfrid drehte sich um und sah, daß Anshelm den Kopf sinken ließ. »Nichts Gutes«, sagte der alte Mann leise. »Wer weiß, warum sie diesem Wahnsinn verfallen waren. Jedenfalls ist das kein gutes Zeichen.«
Sigfrid blickte wieder auf die Hirsche, von denen der eine noch immer im Todeskampf zuckte. »Das ist kein würdiger Tod für so ein edles Tier«, murmelte er und ging über die Lichtung. Außer Reichweite der tödlichen Geweihe zog er sein Schwert, die Klinge blitzte auf und stieß zu. Sigfrid blieb nachdenklich neben den toten Hirschen stehen.
»Das war ein Zeichen«, sagte Harprecht laut. »Sigfrid, ich glaube, wir sollten nicht weitergehen.«
Hinter ihm erhob sich zustimmendes Gemurmel. »Die Götter zürnen ... denk an den Schwan ... an Klodmar. ..«
»Fürchtest du dich?« fragte Sigfrid.
Harprecht wurde rot und starrte auf das braune Laub. »Niemand kann gegen das Schicksal ankämpfen«, sagte er bestimmt. »Wenn dieses Unternehmen zum Scheitern verurteilt ist, geben wir es besser auf und tun etwas anderes.«
»Aber es ist nicht zum Scheitern verurteilt«, erwiderte Sigfrid und hörte in sich Fjölnirs Worte ... zwei kämpfende Krieger... zwei Krieger auf dem Weg in die Schlacht. Selbstsicher hob Sigfrid den Kopf und rief: »Ja, es ist ein Zeichen! Ein Siegeszeichen! Erinnert ihr euch an Fjölnir, der uns aus dem Sturm gerettet hat? Fjölnir hat mir gesagt, es sei ein gutes Zeichen, auf dem Weg in die Schlacht zwei Kriegern zu begegnen. Versteht ihr? Genau das ist hier geschehen. Wir sind auf zwei mächtige und edle Krieger gestoßen. Ihr Kampf war gewaltiger als alles, was ich jemals gesehen habe. Glaubt mir, nur der findet den Tod, der schwach wird und den Mut verliert.« Er sah seine Gefolgsleute herausfordernd an. Keiner hielt seinem Blick stand, aber er sah, daß Hildkar sich
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