Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
Vom Netzwerk:
mit ihrer Kraft. Die Runen flossen Bragi, dem jungen Gott der schönen Lieder, in Asgard über die Lippen, aber sie lagen auch im Rachen der Wölfe und tönten aus dem Schnabel des Adlers.
    Sigfrid erkannte, wie er die Runen Wotan schenkte, als er das Wissen seines Vaters wiedergewonnen hatte. Damals wußte er es nicht, aber jetzt sah er, wie die Runen blutig aus Lingwes Leib flossen, als er die Rache vollzog. Brücken trugen dunkel den Stempel der Runenstäbe; Hebammen zeichneten sie, um die Mütter zu retten, und ihre Hände heilten die Wunden, denn sie vertrieben die dunklen Mächte der Zerstörung. Glas und Gold in ihrer unbefleckten Reinheit vergrößerten die Macht der geheimen Zeichen, die das gute Geschick der Menschen über das Unheil siegen lassen. Im edlen Wein und im heiligen Met fluteten sie als erhebende Kraft. Gungnir, Wotans Speer, war von Runen überzogen, und Sigfrid sah auch, wie sie Granis Fell bedeckten. Sie flogen mit der Eule und wirkten mit den Fingern der Nornen, die am Brunnen des Schicksals saßen und das Wasser reinigten, aus dem der Weltenbaum seine Kraft sog. In seiner Krone stand neben dem großen Adler Wotan in den dunklen Umhang gehüllt. Blut floß aus der leeren Augenhöhle, und der Strick, in dessen Schlinge er sich hatte hängen lassen, lag locker um seinen Hals, als er die Runen hob, die er gewonnen hatte - die roten Runenstäbe in einem großen Eibenholz. Die Runen brannten in Wotans Hand. Ein Strom rot schimmernder Kraft entsprang ihnen und floß in das silberne Horn des Auerochsen mit den rubinroten Augen des Adlers in der gedrehten Spitze.
    Das Licht des Regenbogens leuchtete in Sigfrids Augen, als er wieder mit Sigidrifa auf dem Gipfel des Felsens stand und das Trinkhorn zum letzten Mal mit ihr leerte. Sie sah ihn an, und ihre Augen leuchteten so hell und klar wie der Kristall an Sigfrids Schwert. »Jetzt kannst du wählen, denn die Wahl ist bei dir.«
    »Du bist die klügste Frau, die ich kenne. Keine ist dir an Weisheit überlegen«, sagte Sigfrid, »höre meinen Schwur: Ich werde dich heiraten, denn keine Frau paßt besser zu mir.«
    »Auch ich würde dich heiraten, selbst wenn ich die Wahl unter allen Männern hätte«, antwortete Sigidrifa.
    Sigfrid zog Andvaris Ring vom Finger und reichte ihn ihr. »Ich schwöre bei diesem Ring aus Fafnirs Hort. Nimm ihn als Morgengabe und Hochzeitsring. Soll Gold uns anstelle von Eisen binden.« Sigidrifa nahm den Ring und sagte: »Ich schwöre bei diesem Ring, ich werde keinen anderen Mann heiraten als dich, denn du bist der furchtlose Held, der durch meinen Flammenring geritten ist.« Er nahm sie in seine Arme, setzte sie auf Granis Rücken. »Meine Braut, jetzt wollen wir diesen Berg zusammen verlassen. Möge es Wotan geben, daß wir nie wieder getrennt werden.« Sigidrifa lehnte sich an ihn und blickte in seine Augen. »Ich kann jetzt nicht mit dir kommen«, sagte sie traurig, »hier lebe ich zwar, aber in der Welt dort unten bin ich nur ein Schatten. Wenn ich diese Burg verlasse, muß ich in meinen irdischen Körper zurück, und er ist weit von hier. Deshalb mußt du mich in Brünhild suchen, der Tochter Theoderids. Sie wird mit deinem Ring an der Hand auf dich warten. Ein Feuer wie hier wird um ihre Halle brennen, und nur der kühnste aller Helden kann sie gewinnen. Dann werden wir in allen Welten verheiratet sein, wie wir es hier schon sind -hier zwischen den Welten.«
    »Du lebst wieder«, sagte Sigfrid, »und jetzt werde ich nie wieder allein sein. Vertraue auf Granis Schnelligkeit, denn er wird mich, so schnell er kann, zu dir zurückbringen.«
    Sigfrid umarmte Sigidrifa und küßte sie. Sie trennten sich in der Hoffnung auf ein schnelles Wiedersehen, dann trieb Sigfrid Grani an. Der sturmgraue Hengst sprang über den Schildwall und durch das Feuer.
    Als die Regenbogenflammen hinter ihm lagen, war Sigfrid allein. Die Sonne ging langsam im Westen unter. Sein Schatten wies ihm den Weg nach Osten, zurück zum Rhein.
    Aber vom Wachenstein wehten zart aus den anderen Welten die alten Worte zum Anfang des Sommers, wie sie die Göttin an ihrem Fest auch der Erde als Hoffnung schenkte:
    Alles ist verwischt / was Gestalt annahm, und mischt sich mit dem heiligen Met, um auf den weiten Bahnen zu fließen.
    Sie sind bei den Asen / und sie bei den Alben, 
    einige bleiben bei den klugen Wanen
    andere auch bei den Menschen.
    Da sind Wasser-Runen / und diese gebären Leben,
    alle Runen sind Kraft
    sind der mächtige Strom.
    Wer sie kennt,

Weitere Kostenlose Bücher