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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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bringt Unglück, eine Braut zu loben, ehe man sie gesehen hat.« Er lachte. »Ich habe gehört, sie ist die schönste Frau nördlich des Wandalenreichs. Erstaunlich ist nur, daß sie noch nicht verheiratet ist... sie ist achtzehn, also in deinem Alter.«
    Gunters letzte Worte gingen unter im hellen Strahl des weißen Weins, den Gudrun in Sigfrids Glas füllte. Die Brust schnürte sich ihm zusammen, als seine Verlobte dann zu dem Platz neben ihrer Mutter eilte. Sigfrid richtete sich auf, damit er über Gunter und Krimhild hinwegsehen und im Schimmer der Fackeln Gudruns Haar bewundern konnte.
    »Sigfrid...«, zischte Gunter und stieß ihm den Ellbogen in die Rippen, »du bist sehr unhöflich. Um der Götter willen, benimm dich wie ein zivilisierter Mensch. Du wirst sie für den Rest deiner Tage von morgens bis abends sehen.«
    Sigfrid sank etwas in sich zusammen. Die Mägde brachten auf großen Platten gebratenes Fleisch zu ihrem Tisch. Am Anfang des Sommers war der Rinderbraten saftig und fett, als sei das Vieh schon viele Wochen auf der Weide gewesen. Es gab Berge von honigsüßem Brot und Weichkäse. In silbernen Schalen reichte man Sigfrid die hellroten kleinen Erdbeeren, die er besonders gern aß.
    »Feiert ihr erst heute das Ostarafest?« fragte er verwundert über die reiche Tafel. Als der erste Hunger gestillt war, verschwand auch das Schwindelgefühl, das ihm seit seiner Ankunft in Worms die Sinne verwirrte. »Ach das...«, antwortete Gunter mit vollem Mund etwas verspätet, »nein, nein. Das Ostarafest ist schon eine Weile her. Das war doch am Vollmond. Aber du wirst noch über die Fruchtbarkeit der gallischen Länder staunen. Die Ernten sind dort viel größer als hier.«
    Sigfrid nickte verwirrt. Vollmond? Als er Fafnir getötet hatte, war Vollmond gewesen. Aber er war doch höchstens ein oder zwei Tage auf dem Rhein gewesen, nachdem er Regin und seinen Bruder in der Höhle des Drachenfelsens begraben hatte ... »Ich bin gleich wieder da«, murmelte er und stand auf. Sigfrid ging in den Garten hinaus und blickte zum Himmel hinauf. Der Mond hatte bereits über die Hälfte abgenommen und stand als goldene Sichel hinter den dunklen Wolken, die schnell vorübertrieben.
    Ihn quälte plötzlich der Gedanke, daß er etwas vergessen haben könnte. Er schüttelte ungläubig den Kopf und dachte wieder an die Nacht, in der er Regin die goldenen Münzen auf die offenen Augen gelegt hatte. Er wußte auch noch, wie verzweifelt er auf seinen Ziehvater eingeredet hatte, der ihn in seinem Wahn töten wollte. Sigfrid seufzte. Ich sollte die Toten in der Höhle hoch über dem Rhein ruhen lassen, dachte er bekümmert.
    Als Sigfrid in die Halle zurückkehrte, sang ein Mann zu den Klängen einer kleinen Harfe. Sein kräftiger Bariton übertönte mühelos den Lärm in der Halle.
    Der lange schreckliche / Lindwurm 
    lag auf dem vielen Gold / auf Schätzen ohnegleichen 
    Die Tarnkappe funkelte / gefährlich über den Augen
    niemand wagte den Kampf / gegen das Ungeheuer.
    Feuer loderte aus dem Maul / giftig war der Atem
    Sigfrid der edle Held / stellte sich zum Kampf 
    Wütend wehrte sich der Drache / aber Grams Klinge
    blitzte und traf sicher / und tödlich ins Herz.
    Schrecklich war das Ringen / es erbebte der Berg
    Selbst die Götter / eilten herbei...
    Krimhild hatte das Kinn auf die Hand gestützt. Ihre spitzen Fingernägel klopften gegen ihre weißen Wangenknochen. Ein eigenartiges Lächeln lag auf ihrem Gesicht, als sie von dem Sänger zu Sigfrid und wieder zurück blickte. Nach dem Mahl verteilte Sigfrid die Geschenke, die er mit Hagen ausgewählt hatte. Er hatte das Gold in einem Beutel verschnürt, den er jetzt auf den Tisch legte. »Seht her!« rief er stolz. »Ich bin nicht mit leeren Händen zu meinen Verwandten gekommen. Ich bringe euch dieses Gold aus Fafnirs Hort. Ich hoffe, es wird euch gefallen.« Er griff in das Bündel, tastete nach Gudruns Brosche, bis er sie gefunden hatte, und zeigte ihr dann die große goldene Scheibe. »Gudrun, das ist für dich... wie alles andere, das ich besitze, dir auch gehören soll.«
    Sie blickte mit großen Augen auf das funkelnde Gold, die fliehenden Hirsche, den roten Granat. Alle Augen in der Halle richteten sich auf den geheimnisvoll leuchtenden Schmuck, und es schien, als sei die runde Brosche ein tanzendes Licht, ein flimmernder Stern. Sigfrid legte Gudruns Finger sanft um das Gold und sagte: »Der Schmuck kann nie so schön oder mir so wertvoll sein wie die Frau, die ihn

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