Rheingold
besten morgen mit Hagen auf«, rief Sigfrid, »nur wir drei! Wir können Brünhild bestimmt an den Rhein bringen, wenn du glaubst, meine Abstammung und mein Ruf seien dafür genug.«
Gunter stand auf und umarmte Sigfrid begeistert. »So soll es sein!« rief er fröhlich. »Mein Bruder, mit dir und Hagen im Rücken kann ich alles wagen. Es ist mir eine große Ehre, Sigfrid, den Drachentöter, auf meiner Brautwerbung bei mir zu haben.«
»Bist du nicht erschöpft nach all dem, was du erlebt hast?« fragte Krimhild. »Du wirst dich doch sicher ein paar Tage ausruhen wollen?« »Ich muß mich nicht ausruhen«, erwiderte Sigfrid, »wir können sofort aufbrechen, wenn ihr wollt.«
»Ich meine, morgen wäre besser«, sagte Krimhild lächelnd, »Gunter muß sich auf diese Reise vorbereiten, und es gibt noch vieles zu besprechen...« Sie erhob sich. »Bitte entschuldigt jetzt Gudrun und mich. Wir müssen uns mit den Frauen an die Arbeit machen, wenn ihr schon morgen nach Toulouse reiten wollt.«
»Natürlich«, sagte Sigfrid. Dann erinnerte er sich an Hagens Rat und fragte Krimhild leise: »Kann ich vielleicht heute noch mit dir sprechen? Es gibt da etwas, was ich wissen muß. Ich glaube, es wäre besser, wenn wir dazu allein sind.«
Krimhild verzog die schmalen Lippen zu einem kalten Lächeln und erwiderte: »Ich bin immer bereit, mit dir zu sprechen. Du gehörst doch jetzt zur Familie! Es ist eine Freude für uns alle, daß du hier bist. Ich werde wie deine Mutter sein, so wie Gunter und Hagen deine Brüder sind.«
Sigfrid wußte darauf keine Antwort, und Krimhild schien ihm zu spröde für eine Umarmung. Er sah sie deshalb nur schweigend und etwas verlegen an. Krimhilds Finger streiften kurz, trocken und kühl seine Wange. Dann sagte sie: »Vielleicht wäre es gut, wenn ihr auch Hagen eure Pläne wissen laßt. Ich könnte mir vorstellen, daß er sich auf die Reise vorbereiten möchte. Schließlich muß er an seine Frau und das Ungeborene denken.«
Sigfrid stand auf. »Gehen wir zusammen, Gunter, oder soll mir Giselher Hagens Haus zeigen?«
»Ich komme mit. Er wird es besser aufnehmen, wenn wir es ihm zusammen sagen.«
Sigfrid trat zu Gudrun und sagte: »Bis später.« Ihre Fingerspitzen berührten kaum seine Hand, als Krimhilds strenger Blick sie zurückzucken ließ. »Bis später«, murmelte sie errötend.
*
Die Straßen von Worms waren übersichtlich angelegt mit gepflasterten Gehwegen und brennenden Fackeln an den Kreuzungen. Die Räder der Wagen und die Hufe der Pferde hatte tiefe Rillen hinterlassen. »Wir haben die meisten Arbeiten von römischen Handwerkern durchführen lassen«, sagte Gunter, »das alles hier war kaum mehr als eine Handvoll verwahrloster Häuser und Hütten, nachdem die Römer weggegangen waren. Mein Vater hat wenig Brauchbares vorgefunden, als er hierherkam. Ich tue mein Bestes, um alles in Ordnung zu halten und vielleicht etwas von dem weiterzuführen, was Gebika begonnen hat.«
»Warum lebt Hagen nicht in deiner Halle?« fragte Sigfrid und sprang geschickt über eine Pfütze.
»Ihm ist es lieber, allein zu sein. Ich glaube, ihm gefällt es außerdem besser, unten am Fluß zu wohnen. Er kann nachts jederzeit das Haus verlassen, ohne jemanden zu beunruhigen... außer vielleicht seine Frau.«
Hagens Haus war eine römische Villa. Die sauber gesetzten Steine waren ordentlich mit Ton verfugt. Glatte Säulen stützten das Dach einer Veranda mit Steinboden. Der alte Türklopfer war grünlichschwarz; Sigfrid sah, daß er eine Maske mit wilden, lockigen Haaren und Bart darstellte. Wenn der Boden einmal gefliest gewesen war, dann hatte man die Fliesen entfernt und die einfachen Pflastersteine als Fußboden gelassen.
Gunter und Sigfrid sahen sich stumm an, beide zögerten zu klopfen. Dann gab sich Sigfrid einen Ruck, griff nach dem Klopfer und schlug den Bronzebart dreimal gegen die Metallplatte darunter. Die Tür ging kurz darauf geräuschlos nach außen auf. Eine zierliche Frau mit blonden Locken erschien mit einer Kerze in der Hand. Um den Hals trug sie den weißlich schimmernden Silberring einer Magd. Als sie die beiden Männer sah, sank sie in die Knie und neigte den Kopf in einer Art Knicks, wie es Sigfrid noch nie gesehen hatte. »Seid gegrüßt und willkommen, Fro Sigfrid und König Gunter«, sagte sie mit angenehm weicher Stimme. »Was wünscht ihr?«
»Ich grüße dich, Ada«, erwiderte Gunter, »ist Hagen zu Hause?«
»Leider hat der Fro vor einer Weile das Haus verlassen.
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