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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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Morgennebel, der im Licht der aufgehenden Sonne goldene und rosa Schleier über den Fluß zog, war Hreidmars Halle nur noch ein dunkler Fleck auf dem fernen Hügel. Hörnirs blaßgraues Gewand verschmolz langsam mit dem leuchtenden Dunst, bis er nicht mehr zu sehen war. Wo er eben noch gewesen war, verdichtete sich das Licht und wurde zur schlanken Gestalt Lokis. Der Feuergott hatte den langen Weg zu Rans Halle zurückgelegt, um der Meergöttin wie versprochen das silberne Netz zurückzugeben, und atmete noch schwer, als er aus dem Dunst auftauchte.
    Der große Mann im dunklen Umhang blieb stehen, wandte sich um und stützte sich auf den Speer, der ihm als Stab diente, »Nun, Loki?« fragte er freundlich.
    Der drahtige rothaarige Feuergott legte den Kopf schief, und seine gelbroten Augen blitzten wie heiße Glut, als er Wotan ansah. »Nun, Loki?« wiederholte er bissig und ahmte spöttisch den anderen nach. »Nun, was jetzt, Wotan? Du möchtest, daß auch ich einfach verschwinde wie unser Bruder Hörnir. Das erwartest du doch immer, wenn die Arbeit getan ist, die du von uns forderst. ›Bruder‹ sagst du, wenn du meine Hilfe brauchst. Aber wenn Loki dir wieder einmal den Hals aus der Schlinge gezogen hat, dann heißt es: ›Verschwinde, Wotan hat zu tun, er muß die Welten umgestalten‹« Er hielt inne, als er sah, was Wotan ihm entgegenhielt. Es war das silberbeschlagene Auerochshorn, das bis zum Rand mit goldenem Met gefüllt war. Die Rubinaugen des Adlerkopfs an seiner Spitze funkelten ihn spöttisch an. Loki sah, daß ein paar Tropfen über den silbernen Rand schwappten, in den tief eingeritzten Runen, die das Horn auf ganzer Länge wie ein geheimnisvolles Netz überzogen, nach unten liefen und schließlich wie Tau ins Gras fielen. Wotan lächelte bitter und sagte leise: »Ich vergesse nicht, Loki, daß wir in alten Tagen Blutsbrüderschaft geschworen haben. Ich habe gelobt, diesen Met niemals zu trinken, wenn er uns nicht beiden dient. Trink also, mein Bruder, denn vor uns liegt noch ein weiter Weg.«
    Loki nahm das Horn entgegen und trank unter lautem Schlürfen. Als die Mettropfen über sein spitzes bartloses Kinn liefen, stieg zischender Dampf auf. Er leerte das Horn zur Hälfte und gab es Wotan lachend zurück. »Immer noch guter Met«, sagte er lässig. »Und um den zu bekommen, mußtest du nur die Tochter eines Riesen verführen. Manchmal wünsche ich mir deine Aufgaben.« Er verschwand als helle Stichflamme, noch ehe Wotan etwas erwidern konnte. Der einäugige Gott hielt das halbvolle Trinkhorn in der Hand und blickte dem leuchtenden Schatten im flüchtig aufglühenden Nebel nach. Seufzend setzte er es an die Lippen und trank den Met, der nach Lokis Berührung angenehm warm geworden war. Erfrischt von dem belebenden Trank, holte Wotan tief Luft und stieß den Atem als Dampf wölke in die kalte Luft. Während sie davontrieb, stieß ein leeres Floß sanft an das felsige Ufer des Rheins. Wotan trat vorsichtig auf das schwankende Floß und stützte sich dabei auf den Speer. Er hüllte sich in den dunkelblauen Umhang und zog den breitkrempigen Hut tief in das Gesicht. Die langen grauen Haare und der Bart wehten im Wind, als Gungnirs Spitze in das Wasser tauchte und der Speer zur Stange eines Fährmanns wurde. Wotan sah jetzt wirklich wie ein alter Fährmann aus, den man für zwei Eier oder einen Krug Bier um seine Dienste bitten konnte. Der Gott stieß vom Ufer ab und lenkte das Floß in die starke Strömung; vom Wind getrieben, steuerte Wotan stromaufwärts, seinem nächsten Ziel entgegen.

    *

    Regin und Fafnir ritten mit den Saumtieren, die mit dem Gold in den Truhen und den verknoteten Bündeln beladen waren, die Nacht hindurch bis zum Morgengrauen. In ihren Augen brannte das magische Licht des Goldes. Der gleißende Rhythmus fand ein klares Echo in ihren Körpern und trieb sie blindlings vorwärts. Regin sah Schwerter, Blut und Feuer vor sich, aber seine Gedanken kreisten wie ein wilder Strudel nur um das Gold, das in der Dunkelheit wie eine magische Feuerwand vor ihm loderte, bis das fahle Zwielicht über dem Wald den Schleier der Nacht verschlang und er von den Strahlen der Sonne geblendet wurde. Aber er ritt weiter und vertraute dabei auf die Klugheit seines Pferdes. Er hörte nicht, wie es unter der schweren Last lauter und lauter keuchte, er fühlte auch nicht den Schweiß des Tieres, der seine Hose durchnäßte. Fafnirs Pferd strauchelte plötzlich. Es rollte verzweifelt die Augen, als seine Beine

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