Rheingold
dieser seltsame Wahn verfliegen, und sie wird als Königin der Burgunder zufrieden sein.
»Sie müssen sich reinigen nach der Sitte unseres Volkes!« rief Krimhild. »Erst wenn das geschehen ist, dürfen sie vor unsere Götter und Geister treten, um zu heiraten.«
»Dann geht und bereitet euch in der richtigen Weise vor!« befahl Hagen. »Feuer, Wasser und der Rauch der heiligen Kräuter sollen eure Körper und Seelen reinigen, damit ihr euch geläutert den Eid schwört, wie es der Sitte unseres Volkes entspricht.«
»So soll es sein!« rief Krimhild. Sie hob die Arme und bedeutete, den Kreis zu öffnen, damit Frauen und Männer getrennt den Rückweg antreten konnten. Umringt von den Frauen gingen Gudrun und Brünhild voran.
Hagen stieg vom Felsen und trat zu den Männern, die um Sigfrid und Gunter standen und schließlich den Frauen in einem angemessenen Abstand folgten. Beide Gruppen gingen zu den zwei runden Steinhäusern, die Sigfrid gebaut hatte und die von den Frauen weiß gekalkt worden waren. Nach Hagens Anweisungen befanden sich die Türen an den
entgegengesetzten Seiten, damit niemand, der dort stand, von jemandem im anderen Badehaus gesehen wurde. Als sich die Männer vor dem Haus auszogen, verstand Sigfrid diese Anweisung. Er legte wie alle Tunika und Hose sorfältig neben den großen Holzbottich, den die Knechte mit kaltem Wasser gefüllt hatten, und ging gebückt durch die niedrige, schmale Tür. Der aromatische Rauch von brennenden Kräutern ließ Sigfrid nach Luft ringen und husten. Heißer Dampf hüllte ihn ein. Er setzte sich vor die glühenden Kohlen und atmete langsam, bis eine wohltuende Wärme sich im Brustkorb ausbreitete, Schweiß über Rücken und Bauch floß und seine Muskeln sich entspannten. Gunter setzte sich neben ihn. Nach und nach versammelten sich die anderen um sie. »Seid ihr bereit, die Worte der Weisheit zu hören?« fragte der Westgote Totila.
»Wir sind bereit«, antwortete Gunter, und auch Sigfrid nickte. »Lobe den Tag nicht vor dem Abend... vergieße Tränen, wenn deine Frau auf dem Scheiterhaufen brennt... eine Klinge wird in der Schlacht erprobt, eine Jungfrau in der Ehe, Eis, wenn man es überquert, und Bier, wenn man es trinkt... der Mann soll den Worten einer Jungfrau nicht blindlings trauen, auch nicht den Worten einer Frau, denn ihre Herzen hat ein Wirbelwind geformt, und Haare wachsen auf ihren Zähnen.« Allgemeines Gelächter folgte auf Totilas Worte.
»Hört jetzt mich!« rief einer der Burgunder. »Zweischneidig sind die Worte von Männern
und Frauen. Wir aber sollen offen und ehrlich sein, auch wenn schwarze Gedanken uns bewegen, denn dazu gehört Mut... niemand soll sich über die Liebe eines anderen lustig machen, denn der Weise fängt sich in den Schlingen einer hübschen Frau, wenn der Narr ihnen entkommt... lacht nicht über den Krieger, der schwach wird vor der Macht der Liebe.«
Als nächster sprach Hartbrecht. »Männer, laßt eure Frauen nicht so oft zu den Verwandten gehen, auch wenn sie das wollen, denn daraus entsteht nur Ärger... ihr aber bleibt nicht bei einer Geliebten, wenn ihr Frieden im Haus wollt... zieht nie das Kind eines Mannes auf, der im Rang über euch steht.«
Sigfrid wurde es schwindlig von dem Kräuterrauch. Das Badehaus schien sich über ihm zu wölben wie der bewölkte Nachthimmel, wenn die Sonne glühend rot untergeht. Sterne funkelten und wirbelten vor seinen Augen. Die Männer lachten und redeten, tauschten ihre klugen Sprüche untereinander aus, wie sie es taten, seit die Goten mit ihren Schiffen den Norden verlassen und die Vorfahren der Sachsen im Sand Muscheln gesucht hatten. Aber Sigfrid hatte das Gefühl, hinter seiner Stirn sei ein schwarzes Loch. Eine tiefe Stimme tönte heiser durch die heißen Dampfwolken. »Ich war bei dem alten Riesen und bin wieder zurückgekommen. Meine Rede wurde gut aufgenommen. Mit vielen Worten tat ich in Suttungs Halle meinen Willen kund.
Gunnlöd saß auf dem goldenen Hocker und gab mir ihren süßen Skaldenmet zu trinken. Sie bekam von mir einen schlechten Lohn, und ihr ward das Herz ebenso schwer wie die Seele. Ich dagegen nutzte das wunderbare Getränk, dem jeder kluge Mann zuspricht, denn der schäumende Met ist nur für die Auserwählten der Erde da. Mir ist es schlecht ergangen, und ich wäre dem Reich der Riesen nicht mehr entkommen, wenn Gunnlöd mir nicht geholfen hätte, in deren liebenden Armen ich lag.« Eine helle Stimme zischte dazwischen: »Wotan hat einen Schwur
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