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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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den Teller gelegt hatte, von dem er und Brünhild aßen, und er Krimhild eine Portion abgeschnitten hatte, nahm Sigfrid das Messer und schnitt das Fleisch für sich und Gudrun ab. Erst als er wieder saß, bemerkte er die erstaunten Blicke um sich herum. Gunter hatte zwar die erste Portion gehabt, aber Sigfrid hatte für sich ein sehr viel größeres Stück abgeschnitten.
    »Du ißt wohl schon für den nächsten Winter?« fragte Gudrun, während er hungrig wie ein Wolf kaute. Nach den ersten Bissen stellte er jedoch fest, daß ihm die Kehle wie zugeschnürt war. Er trank etwas Bier, um die Spannung zu lösen, trotzdem war ihm der Appetit vergangen. Auch Brünhild aß so gut wie nichts und schüttelte nur immer wieder den Kopf, wenn Gunter ihr die besten Stücke reichen wollte. Dann brachte man in großen Kesseln die Suppe. Krimhild erhob sich und füllte die Schalen der beiden Brautpaare. Sigfrid fiel auf, wie Hagen vorsichtig an der Suppe roch, dann etwas Brot hineintauchte und mit der Zungenspitze kostete. Jetzt verstehe ich ihn besser und weiß, warum er immer so vorsichtig ist, dachte Sigfrid bitter. Wie gut, daß die Tarnkappe sein wahres Gesicht verbarg, denn sonst wäre vielen bei seinem Anblick die Freude an dem Fest vergangen.
    Nach dem Essen erhoben sich die Frauen wieder und füllten den Männern die Becher und Gläser mit Wein und Bier. Gunters Skop, ein junger Mann mit blonden Haaren und dem konischen Hinterkopf der burgundischen Krieger, trat mit seiner kleinen Leier vor die Tafel des Königs und begann zu singen:
    Im fernen Bornholm / hoch im kalten Norden 
    lebte unser Volk auf / vom Sturm gepeitschten Land
    kein Heim hatten wir / keine Halle, kein Haus, 
    Adlers Schwingen brachten / von Osten die Kraft.
    Im fernen Bornholm / hoch im kalten Norden 
    der erste Sohn der Götter / Gaut war er genannt,
    brachte uns auf den Weg / die Sippe ließ er zurück
    Gebikas Söhne sie / alle stammen von ihm ab.
    Im fernen Bornholm / hoch im kalten Norden 
    lebten bei uns die Hunnen / dunkle Hexenkinder
    die Wut vertrieb uns / und der Kampf aus dem Osten
    die Sonne führte uns / wir suchten ein neues Land.
    Sigfrid trank, während der Sänger die Geschichte der Burgunder sang. Er erzählte, wie sie an den Rhein gekommen waren, von den langen Kämpfen mit den Alemannen, mit den Römern, von den Bündnissen mit ihnen und der Vertreibung der Stämme, deren Land sie sich als Heimat auserkoren hatten. Als er von Gebikas Taten berichtete, wanderte Sigfrids Blick ans andere Ende der Halle. Dort standen zwei Männer zum Ringkampf bereit. Der eine war groß und schlank und hatte blonde lockige Haare, der andere war kleiner und untersetzt. Zwei lange braune Zöpfe hingen ihm vom runden Kopf. Der Große wich dem Angriff des Kleinen aus, packte einen der Zöpfe und riß ihm den Kopf herum. Der Angreifer schnaubte, aber er versuchte nicht, sich aus dem Griff zu befreien, sondern hob schnell das Knie und traf seinen Gegner zwischen den Beinen. Der Blonde schlug dem anderen die Fäuste ins Gesicht, während der Hieb in den Unterleib ihn vornübersinken ließ. Sie lösten sich kurz voneinander, holten Luft, aber dann griffen sie sich wieder an und bearbeiteten sich gegenseitig mit den Fäusten. Sigfrid konnte die Wetten nicht hören, die auf den Sieger abgeschlossen wurden, denn der Gesang des Sängers war lauter, und so hörte er auch die Worte über Gudrun, die Friedensstifterin, und die Geschichte vom Drachenkampf und vom Feuerring, aus dem Gunter die edle Jungfrau Brünhild befreite. Er leerte noch einmal den Becher, während der Skop die letzte Strophe sang:
    Die Lieder werden gesungen / für unsere Kinder
    wir alle kamen von Bornholm / aus dem hohen Norden
    und wollen den / Ursprung nie vergessen, 
    denn die Ahnen / sind immer bei uns.
    Es dauerte nicht mehr lange, und die Frauen verließen die Halle. Sechs von Sigfrids Gefolgsleuten führten ihn mit Fackeln zu seiner Kammer. Sie machten anzügliche Bemerkungen und überlegten anschaulichst, ob es Sigfrid wohl gelingen werde, die Pflichten der Hochzeitsnacht zur Zufriedenheit seiner Braut zu erfüllen. Er lachte mit ihnen, war aber mehr denn je verunsichert, obwohl ihm inzwischen alles eher gleichgültig war. Das fröhliche Gelächter machte es ihm leichter, seine traurige Rolle in dem bösen Spiel weiterzuspielen, und bald standen sie vor der Tür seiner Kammer. Dort erwarteten sie Krimhild und Costbera mit vier anderen Frauen, die Fackeln trugen.
    Krimhild öffnete die

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