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Rheingold

Titel: Rheingold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Grundy
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den Armen mühsam über Wasser. »Warum machst du das?« fragte Gudrun. Brünhild drehte sich um und durchbohrte die kleinere Gudrun mit ihren leuchtend blauen Augen. Aber Gudrun war inzwischen an Sigfrids Blick gewöhnt und sah Brünhild furchtlos an.
    »Warum sollte ich dir in allen Dingen gleichgestellt sein?«
    Brünhild hob die Oberlippe, und ihre weißen Zähne wirkten so gefährlich wie bei einem Wolf, der in der Falle sitzt. »Mein Vater war mächtiger als deiner, und mein Mann hat viele große Taten begangen und ist durch die Flammen geritten, während deiner ein Leibeigener von König Alprecht war.«
    Gudrun ballte die Fäuste und sagte nur: »Es wäre klüger, du würdest nicht schlecht über meinen Mann reden.«
    »Warum nicht? Trotz Sigfrids Kraft hielt er nur Gunters Pferd, als Gunter um mich warb. Mein Mann ist ein großer König, dessen Reich sich bis nach Gallien erstreckt. Sein Name ist in Rom bekannt, während deiner sich damit zufrieden gibt, zu Hause zu bleiben und Kinder in die Welt zu setzen. Niemand außer Gunter konnte durch den Feuerring reiten, und kein König ist hier im Norden so berühmt und mächtig wie er.«
    »Alle Menschen wissen, daß keiner auf der Welt sich mit Sigfrid messen kann. Er hat das Land der Sachsen erobert und seinen Vater Sigmund gerächt. Er hat in Schlachten gesiegt, die kein Mensch außer ihm hätte gewinnen können, denn er ist stärker als jeder andere.« »Aber wenn Sigfrid haben könnte, was er will, warum ist er dann damit zufrieden, in einer armseligen Hütte in den Bergen zu hausen? Was bedeutet ihm das schon, gegen die Hunnen zu kämpfen? Er sollte seine Kraft mit Rom messen. Haben Fafnirs Flammen ihm das Herz ausgebrannt?«
    Jetzt loderte in Gudrun wieder das Feuer wie damals, als sie das Drachenherz gegessen hatte. Sie sah Brünhilds unvergleichliche Schönheit, die goldenen Haare, die ihre marmorweißen Schultern umflossen und die klaren blauen Augen, die so hell leuchteten wie Sigfrids, und rief von Zorn und Eifersucht erfaßt: »Du solltest Sigfrid nicht herabsetzen, denn du warst, ohne es zu wissen, seine Geliebte! Ja, jetzt sollst du es erfahren. Nur jemand wie er, der Fafnir bezwungen hatte, konnte durch den Flammenring reiten. Er kam zu dir in König Gunters Gestalt, und er lag bei dir und nahm dir Andvaris Ring vom Finger. Und wenn du mir nicht glaubst, dann überzeuge dich selbst!« Sie hielt Brünhild die Hand entgegen, und der weiße Stern in dem roten Drachenring funkelte und blitzte im Sonnenlicht. Dann rief sie triumphierend: »Jetzt weißt du, warum ich über dir stehe. Sigfrid hat sich für mich entschieden und nicht für dich!« Andvaris Ring spiegelte sich in Brünhilds Augen wie in zwei Kristallen. Zuerst wurde sie glühend rot und dann plötzlich blaß. Gudrun erschrak, denn sie dachte: Habe ich sie getötet? Aber Brünhild drehte sich plötzlich um und lief, so schnell sie konnte, durch das Wasser. Am Ufer angelangt, zog sie sich an. Ihre Hände bewegten sich schneller und schneller. Dann rannte sie barfuß zur Halle zurück. Gudrun holte tief Luft und versuchte, den Zorn und die Angst zu überwinden, die ihr Herz wie rasend schlagen ließen. Sie starrte auf den Ring an ihrem Finger und hatte plötzlich den Wunsch, ihn abzustreifen und in den Fluß zu werfen, damit ihre zornigen Worte mit dem Gold in die Tiefe sinken würden. Aber sie wußte, nichts war ungeschehen zu machen. Sie wird ihre Schande nicht preisgeben, dachte Gudrun, nein, das wird sie nicht.
    Langsam ging sie in das seichte Wasser zurück, streckte sich dort im kalten Wasser und rieb sich Arme und Beine. Erst als sie vor Kälte heftig zu zittern begann, verließ sie den Fluß und zog sich wieder an.

    *

    Brünhild kam nicht zum Abendessen. Sigfrid wußte nicht, ob er beim Anblick des leeren Stuhls neben Gunter erleichtert oder enttäuscht sein sollte. Sie waren nur zu fünft in der Halle, denn bis zu den Winternächten gab es keine großen Festgelage mehr. Gudrun hatte gerade ihren Brüdern und Sigfrid die Gläser mit Wein gefüllt, als Sigmund und Nibel in die Halle stürmten. Sie trugen beide Tonkrüge, und der dunkle und der blonde Haarschopf waren verklebt. Nibel hatte rote Schwellungen auf Gesicht und Armen, Sigmund nicht.
    »Sie waren bei den Bienen«, sagte Gudrun mit einem Seufzer. »Wißt ihr denn nicht, daß Bienen stechen?«
    »Ihn haben sie nicht gestochen«, erwiderte Nibel, »sie haben sich auf ihn gesetzt, aber nicht gestochen.«
    »Gestochen haben sie«,

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