Rheingold
dich vernichtet. Zähme das verheerende Feuer in dir, mache es zum reinen Licht einer Fackel, und nutze es für dein Werk. Fühlst du es? Fühlst du deine Flamme?«
Noch während der Zwerg sprach, spürte Regin das Feuer, das in glühenden Adern durch seinen Geist raste und ihn mit seiner Hitze fast verbrannte.
»Ja«, flüsterte Windhalf, »ja, noch ist es nicht sehr stark, aber es wird mit deiner Kraft wachsen. Komm jetzt zur Esse. Dort soll es hineinschießen.«
Regin folgte ihm zu der Glut. Der Zwerg nahm seine Hände, legte ihm die Finger zusammen, spreizte die Daumen ab und drehte die Handflächen nach unten. Regin atmete langsam und tief. Er ließ die Flamme durch seine Handgelenke in die Handflächen fließen, bis sie rotgolden und rein und von der Glut unter seinen Händen aufstieg. Er trat langsam zurück, und ohne die Haltung seiner Finger zu verändern, ließ er das Feuer wachsen, bis es so hell leuchtete wie bei seiner Ankunft.
»So mußt du es jetzt halten«, befahl Windhalf. »Achte genau auf das, was du tust. Mach dir keine Gedanken um mich, denn sonst wirst du abgelenkt und verdirbst mein Werk.« Er packte das halbfertige Schwert mit der Eisenzange und hielt es in die Flammen, während Regin darum kämpfte, die Kraft des Feuers zu erhalten und die Kontrolle darüber nicht zu verlieren. »Die Hitze muß gleichmäßig und stark sein. Die Flammen dürfen nicht zucken.« Als Windhalf das Schwert schließlich aus dem Feuer nahm und es auf dem Amboß dreimal mit dem Hammer schlug, zitterten Regins Arme, und die Flammen begannen, leicht zu flackern. »Also gut, lassen wir es dabei«, sagte der Zwerg. »Kehre in deinen Körper zurück, bevor er erfriert. Du mußt jetzt schlafen. Auf meinem Hügel kannst du dir deine eigene Schmiede bauen. Du mußt noch viel üben. Komm morgen nach Sonnenuntergang wieder her.«
Regin drehte sich um und kroch durch den Gang nach draußen. Er trat aus dem Felsen und kehrte in seinen Körper zurück. Rücken und Beine waren verkrampft und schmerzten, als habe die gebückte Haltung seines Geistkörpers auch seine menschlichen Muskeln angestrengt. Er war so erschöpft, als wäre er einen ganzen Tag gerannt. Erstaunlicherweise war der Hengst noch da und stieß besorgt mit den warmen, weichen Nüstern gegen den Körper seines Herrn. Regin richtete sich langsam auf und streichelte das Pferd. Dann machte er sich daran, einen einfachen Windschutz zu bauen. Er wußte, viel würde der Unterschlupf nicht nützen, aber für die Nacht wollte er Wind und Regen nicht ausgeliefert sein. Morgen konnte er daran denken, eine richtige Hütte zu bauen. Während er Zweige und Äste sammelte, dachte Regin an Lofanheids Warnung, die Menschen nicht für immer hinter sich zu lassen. War es möglicherweise ihre Art der Rache, daß sie versuchte, ihn mit dieser Warnung von seinem rechtmäßigen Handwerk fernzuhalten? So mußte es wohl sein. Er konnte sich nichts Besseres vorstellen, als hier auf Windhalfs Hügel eine Schmiede zu bauen und bei ihm zu lernen; denn wenn es ihm gelang, ein so scharfes Schwert zu schmieden, wie Menschen es nicht vermochten, dann konnte er Fafnir, den Drachen, erschlagen und den Hort für sich gewinnen. Seine Schwester hatte ihn betrügen wollen, als sie ihm riet, bei den Menschen zu bleiben und das Gold zu vergessen. Sie wollte ihn mit der Drohung einschüchtern, der Schatz werde ihm Tod und Verderben bringen. Sie mochte vielleicht eine Seherin sein - sie war es, denn sie kannte Fafnirs Schicksal -, aber kein Gesetz der Zauberkunst verlangte von Frowe Huldas Töchtern, die ganze Wahrheit über ihre Visionen zu sagen.
Regin schlief gut unter dem Dach aus feuchtem Gestrüpp. Er träumte von seiner eigenen Schmiede inmitten des Horts, von genug Gold, um tausend Jahre damit die schönsten Dinge zu schmieden, und von Schwertern, wie kein Mensch und kein Zwerg sie jemals zuvor gemacht hatte. Er träumte auch von der niedrigen Höhle im Felsen, wo er bis zum Ende der Zeit arbeiten durfte. Und in seinen Träumen stand er bereits aufrecht in Windhalfs Felsen, ohne die Schultern und den Kopf einziehen zu müssen und ohne die Knie zu beugen.
6
DIE LIEBESNACHT
Das Floß schwamm nach Süden. Der Bootsmann steuerte es mit leichter Hand gegen die Strömung. Er nahm keine Fahrgäste mit, sondern fuhr weiter, ohne auf die Flüche all jener zu achten, die über den Fluß setzen wollten. Keiner von ihnen bemerkte, wie mühelos dieser Fährmann sein Floß stromaufwärts lenkte, denn
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