Rheingold
ans Ufer zu lenken. Er vertäute sie mit dem Seil an einem dicken Baum, lief zu seinem Pferd, ritt zurück und ließ sich dann erschöpft zum Lager der Burgunder flußabwärts treiben.
Als Hagen die Fähre ans Ufer zog, hörte er Folker rufen: »He! Er ist da! Ich wußte, er würde uns nicht im Stich lassen!«
Gunter eilte mit seinen Kriegern zum Ufer hinunter. Aber ihr Jubel verstummte, als sie das Blut auf den Planken sahen.
»Was ist mit dem Fährmann geschehen?« fragte Gunter. »Ich glaube, die Begegnung mit dir hat ihn das Leben gekostet.«
»Ich fand die Fähre neben einer Weide. Ich habe sie hierher gebracht.«
Gunter legte den Kopf zur Seite und sah seinen Bruder mißtrauisch an. »Warum hast du den Fährmann umgebracht?«
»Ich möchte nicht, daß unsere Feinde erfahren, daß wir hier sind. Jetzt kann er nicht mehr reden.«
»Wer soll uns aber hinüberbringen?« fragte Gernot. Er verschränkte die Arme, blickte auf das Floß und dann auf den reißenden Fluß. »Die Donau ist gefährlicher als der Rhein. Wir brauchen einen Fährmann.«
»Ich werde alle hinüberbringen«, erwiderte Hagen.
Der König wartete mit Gernot und Giselher, bis alle übergesetzt waren. Aber Hagen war inzwischen zu erschöpft, deshalb übernahm Gunter das Ruder, während seine Leute die letzten Dinge auf die Fähre brachten.
»Stell das nicht auf den Boden!« rief der Mönch Giselher zu und griff nach dem Sack, den der junge Mann in den Händen hielt. »Ich möchte
nicht, daß die heiligen Gegenstände vom Blut des Ermordeten entweiht werden.«
Giselher nahm den Sack auf den Rücken. »Wo soll ich ihn denn hinstellen?« fragte er. »Überall auf der Fähre ist Blut.« Der Mönch griff sich an den blonden Bart und ging mit gerümpfter Nase über die Fähre bis in den entferntesten Winkel. »Komm hierher!« rief er Giselher zu. »Gernot, mach uns etwas Platz.«
Gernot trat zur Seite, und Giselher stellte den Sack auf die sauberen Planken.
Nur der Mönch wird dem Unheil entkommen... sein Schicksal bestimmt, daß er hier nicht den Tod findet...
Hagen mußte an die Worte der Nixe denken, als er den rundlichen Mönch beobachtete, der ängstlich in das aufgewühlte Wasser blickte, Hagen stand auf und ging zu dem Mönch. Er packte ihn um die Hüfte und warf ihn in den Fluß. Es erleichterte ihn, als er sah, wie der Mönch im Wasser verschwand. Aber dann tauchte sein Kopf wieder auf.
Er hustete und rang nach Luft. Strampelnd versuchte er, das Floß zu erreichen. Hagen ließ ihn nicht aus den Augen. »Holt ihn aus dem Wasser!« rief Gunter und steuerte das Floß zur anderen Seite, damit es sich dem Mönch näherte. Als er sich an die Planken klammerte, gab ihm Hagen einen Tritt, und er mußte wieder loslassen.
»Warum machst du das?« schrie Giselher außer sich vor Wut. »Hör auf. Wir müssen ihn retten!«
Als der Kopf des Mönchs wieder auftauchte, wollte Gunter die Fähre wieder in seine Richtung steuern, aber die Wellen waren zu hoch. Die Fähre geriet ins Trudeln und außer Kontrolle. »Ich kann nicht schwimmen!« schrie der Mönch in Panik, als ihn die Strömung mit sich riß. »Hilfe! Um Christi willen, helft mir!« Aber er bereits zu weit abgetrieben. Das braune Wasser zog in ihn in die Tiefe, aber er tauchte wieder auf. Als er zum vierten Mal unterging, dachte Hagen, er werde mit Sicherheit ertrinken. Aber die Burgunder hatten noch nicht das andere Ufer erreicht, als Hagen plötzlich sah, wie sich auf der anderen Seite zwischen dem angeschwemmten Treibholz etwas bewegte. Die Strömung hatte den Mönch in einer leichten Flußbiegung ans Ufer getrieben. Er stand auf und watete ans Land. Völlig durchnäßt, zitternd und bebend hob er die Hand und schlug das Kreuz. Hagen glaubte, den Mönch etwas rufen zu hören, aber er konnte seine Worte nicht verstehen. »Warum hast du das getan?« schrie Gunter. »Wenn ein anderer den Mönch ins Wasser geworfen hätte, um ihn umzubringen, wärst du zornig gewesen. Warum hast du das gemacht?«
Hagen starrte auf die braune Gestalt des Mönchs und gab keine Antwort.
Als sie schließlich das andere Ufer erreicht hatten, wartete Hagen, bis alle an Land waren. »Gib mir deine Axt, Folker!« sagte er dann. Der Sänger gab Hagen die Axt, der die Planken an mehreren Stellen von den Stämmen löste. Dann sprang er ans Ufer, durchtrennte das Tau und stieß die zerstörte Fähre mit der Stange zurück in die Strömung. Sie begann, auf dem schäumenden und strudelnden Wasser zu kreisen, kippte
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