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Rheingrund

Rheingrund

Titel: Rheingrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Kronenberg
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aber die Schlussfolgerung, dass Martin dein Vater sein könnte, liegt nahe.«
    »So nahe, dass ich nicht im Traum darauf gekommen bin!«
    Mit einer Verzweiflung, die Norma berührte, landete die zarte Faust auf dem Fass. Immer sei sie mit allen Sorgen zu Martin gegangen, erzählte Inga, nachdem sie sich beruhigt hatte. »Wie oft haben wir über Bernhard geredet. Wie schwierig das mit ihm ist. Über meine Zweifel, ob er mein Vater ist. Und jedes einzelne Mal hat Martin mir ins Gesicht gelogen!«
    Arlo tappte heran und legte dem Mädchen den Kopf auf die Knie.
    »Wann hat Martin es dir gesagt?«, fragte Norma.
    Inga griff in die Hosentasche und holte ein Taschentuch hervor. »Gestern Morgen im Büro. Danach bin ich sofort abgehauen.«
    »Habt ihr euch anschließend ausgesprochen?«
    Sie schnäuzte sich und rieb mit den Fingerknöcheln über die Augenbrauen. »Er wollte mich gestern Mittag hier treffen und machte es dringend, erschien aber nicht. Besser so! Martin kann mir gestohlen bleiben.«
    »Hast du versucht, ihn anzurufen?«
    Zweimal, bestätigte das Mädchen, obwohl es zwecklos sei. »Er stellt das Handy aus und verstaut es in der Satteltasche, wenn er mit dem Rad unterwegs ist. Heute habe ich es nicht mehr probiert.«
    Sie hob den Kopf. Wenn man es weiß, erkennt man seine Augen, stellte Norma fest, verwundert darüber, dass ihr die Ähnlichkeit zuvor nicht aufgefallen war.
    »Kann das Verschwinden meiner Mutter«, fragte Inga bedächtig, »damit zu tun haben, dass Martin mein Vater ist? Liegt da auch irgendetwas nahe ?«
    In manchen Augenblicken warf sie alles Kindliche ab.
    Norma überlegte, wie viel sie verraten durfte. »Ich würde es nicht ausschließen. Wir müssen sicher sein, ob Martins Behauptung stimmt. Ich brauche eine Speichelprobe von dir.«
    Sie nahm eine Plastiktüte aus der Jackentasche. Darin steckten vier Wattestäbe.
    »Und jetzt?«, fragte Inga, als die Prozedur erledigt war.
    »Wir lassen die Proben zehn Minuten an der Luft trocknen«, entgegnete Norma. »Anschließend fahre ich zu Martin nach Hause und bitte auch ihn darum.«
    Arlo blieb bei Inga, als Norma die Hütte verließ. Gegen 14.30 Uhr durchquerte sie die Wiesbadener Innenstadt und hielt in der Kapellenstraße. Die Wohnstraße zog sich oberhalb der Taunusstraße hinauf bis zum Fuß des Nerobergs. Martin Reber bewohnte einen unscheinbaren Zweckbau, dessen Attraktivität in der Nähe zur Innenstadt, der ruhigen Lage und den Villen der Nachbarschaft liegen mochte. Eine Frau näherte sich dem Eingang. Sie führte einen weißen Pudel an der Leine. Mit einem misstrauischen Blick auf Norma schloss sie die Haustür auf. Der Pudel kratzte auf der Fußmatte herum, ohne von Norma Notiz zu nehmen.
    Norma drückte den Klingelknopf.
    »Ja, bitte?«, klang eine Frauenstimme aus dem Lautsprecher.
    Norma beugte sich herunter. »Norma Tann. Wir haben uns neulich im Theater getroffen.«
    »Was wollen Sie?«
    Die Frau mit dem Pudel verschwand im Flur und beeilte sich, die Tür von innen zu schließen.
    »Müssen wir das hier draußen besprechen?«
    Durch den Lautsprecher war das Gemurmel von Männerstimmen zu hören. Dann ertönte der Summer und gab den Eingang frei.
    Die Pudelbesitzerin wartete auf der Treppe. »Entschuldigung, aber ich kann nicht jeden reinlassen.«
    »Einen schönen Tag noch«, wünschte Norma und stieg mit einem hohen Schritt über die Hundeleine.
    Das Treppenhaus war so trist wie die Fassade draußen. Im milchigen Licht der Glasbausteinwand kränkelte ein Kaktus. Sandra Reber empfing Norma auf dem Flur. Sie trug zur weißen Hose eine smaragdgrüne Bluse, die ihre Augenfarbe betonte. Durch die streng zurückgebürsteten Haare erschien ihr Gesicht älter und runder als am Abend im Theater. Sie wirkte beunruhigt.
    »Die Herren meinten, ich sollte Sie heraufbitten. Also kommen Sie!«
    Sandra ging voraus in ein geräumiges Wohnzimmer. Ein kantiges Ledersofa und zwei passende schwarze Sessel rangen mit einer Schrankwand um die Herrschaft im Raum. Die Sessel waren besetzt. Einer der Männer füllte das Sitzmöbel mit seiner Masse aus. Der zweite Besucher schien sich darin zu verlieren und verbarg das Gesicht hinter starken Brillengläsern. Martin Reber war nicht im Raum. Das Schwergewicht strich sich die schwarzen Haare aus der Stirn und nickte Norma mit vertraut düsterem Blick zu. Sie hatte Luigi Milano seit Monaten nicht gesehen. Er erschien ihr noch massiger als früher, die Frisur glänzte pomadiger denn je. Dirk Wolfert sprang auf

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