Rheinsteigmord - Kriminalroman
die Idee gekommen, dem Bulli einen Namen zu geben. Chandler sollte er heißen. Das war angemessen für ein bewohnbares Fahrzeug, in dem ein Kriminalroman entstehen würde.
Die ganze Gegend war immer noch in Lärm getaucht. Einer der Arbeiter rief ihm von dem Gerüst aus etwas zu, aber Fred winkte nur freundlich grüßend und holte ein paar Sachen aus der Wohnung: Wäsche, ein paar Hemden, zwei Hosen, Waschzeug, Bettzeug, Handtücher. Seinen iPod, der zum Glück aufgeladen war, mit Kopfhörern. Er musste mehrmals gehen.
Am Ende verstaute er einen Schwung Krimis, zwei Fünfhunderter-Packs Papier, Notizbücher und schließlich seine Olympia.
Isabel hatte nicht gelogen. Die Schreibmaschine passte genau auf das Pult. Als Fred sie wie vorgeschrieben befestigen wollte, merkte er, dass er keinen Schraubenzieher hatte. Er stieg aus und holte sich einen aus einem der Werkzeugkästen, die im Hausflur herumstanden.
Dann stand die Maschine. Fred setzte sich dahinter. Ein Blatt war noch eingespannt. Der Beginn eines Krimikapitels.
Die Tür öffnete sich langsam, und der Lauf einer Pistole schob sich durch den Spalt.
Weiter war er nicht gekommen. Aber das würde sich bald ändern.
Er brachte den Schraubenzieher zurück, stieg wieder ein und ließ den Motor an. Die Scheibenwischer gingen an und quietschten nach drei, vier Bewegungen über das trockene Glas. Es hatte längst aufgehört zu regnen. Die Sonne tauchte die Fassaden der Dorotheenstraße in gelbes Licht.
Fred beugte sich über das Lenkrad und sah nach oben: Der blaue Himmel schien die Wolkenfront mit ihrem schlechten Wetter beiseitegedrückt zu haben. Nur die feuchte Dunkelheit auf dem Asphalt blieb als Erinnerung.
5
»Ich komme dann ins Café Schmidt«, sagte Haustein.
Fred hatte kurz vor der Adenauerbrücke an der Rheinaue noch einmal gehalten und die Rheinbrohler Nummer gewählt. Allerdings nicht ohne vorherigen Guthabencheck.
Zum Telefonieren nutzte Fred eine Prepaidkarte mit fünfzig Freiminuten, fürs Internet hatte er dreihundert Megabyte im Monat frei. Das Handy, das man ihm für diesen Vertrag, der vierzehn Euro neunzig monatlich kostete, zur Verfügung gestellt hatte, war lahm, aber einigermaßen brauchbar. Er hatte noch gut dreißig Euro Guthaben auf der Karte. Von den Freiminuten waren nur noch fünfzehn übrig. Er überschlug, wie viel Geld er hatte. Sein Bankkonto wollte er vorerst in Ruhe lassen. Im Notfall konnte er es ein bisschen überziehen. Wobei er keine Ahnung hatte, was geschehen würde, wenn das Geld alle war. Aber das würde er dann sehen. Charly schuldete ihm noch was. Vielleicht ging ja auch der Friesdorf-Fall weiter, und Fred erhielt frisches Geld von seiner Auftraggeberin. Oder wenigstens die Abschlusszahlung.
Er hatte Haustein auf dem Festnetz erreicht, mit einer vernünftigen Verbindung ohne Störgeräusche. Der rheinische, ein bisschen nuschelige Akzent des Mannes aus Rheinbrohl war deutlich zu hören.
»Sie finden das Café ganz leicht. Wenn Sie aus Bad Hönningen kommen, liegt es kurz hinterm Ortseingang. Linke Seite. Ach ja, ich habe dunkelbraunes Haar und trage eine Brille.«
Fred ließ sein Handy in die Armaturablage des Bullis gleiten und drehte den Zündschlüssel. Das lief alles gar nicht so schlecht, ging es bei dem Fall doch eigentlich nur darum, die alte Dame ein bisschen hinzuhalten. Der Prof würde sicher von selbst wieder nach Hause kommen.
Eine feine Stimme in Freds Innerem meldete sich und machte Bedenken geltend: Wieso war Friesdorf in Rheinbrohl gewesen, wenn er doch nach Frankreich, Belgien und Holland gewollt hatte – wo, wie Fred wusste, die Schauplätze des Ersten Weltkriegs lagen und ein Experte für dieses Thema deshalb eigentlich hingehörte? Irgendetwas musste ihn bewogen haben, die Route zu ändern, aber was? Na ja, dachte Fred, während er auf der anderen Rheinseite auf die B42 bog. Dafür wird er sicher einen Grund gehabt haben. Vielleicht ist dieser Haustein ja auch Historiker, und sie haben sich über irgendwas ausgetauscht.
Genieß die Fahrt, dachte er dann. Genieß den Augenblick. Freu dich, dass dein Geld eine Weile reicht. Wird schon alles werden.
Hinter dem durchbrochenen Tunnel, durch den das Sonnenlicht wie in einen riesigen länglichen Käfig fiel, bekam die Landschaft ihre gute Dosis Rheinromantik. Der Drachenfels grüßte vom hohen Berg – bewacht von einem mächtigen Kran. Das Ausflugslokal wurde gerade renoviert.
Vor Unkel überquerte Fred die Grenze zu Rheinland-Pfalz. In Erpel
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