Rhönblut: Kriminalroman (German Edition)
Reporters Tür und Tor geöffnet.
»Sie sagen nichts dazu? Es ist also was dran. Sie sind wieder dabei. Alles klar, Herr Kommissar. Ich verstehe schon.«
Eckstein war ein nerviger Reporter, der allerdings über erstaunliche Verbindungen verfügte. Er war kein schlechter Kerl, aber wenn er eine gute Story witterte, ging er im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen. Seeberg ließ Eckstein in der Morgenkälte zurück und lief in die Tankstelle hinein. Er bezahlte betont langsam und bestellte sich noch einen heißen, schwarzen Kaffee to go, bevor er sich wieder zu seinem Auto hinausbegab. Als er in seinen Wagen stieg, sah er in den Rückspiegel. Von Eckstein war nichts mehr zu sehen. Doch das musste nichts bedeuten. Wahrscheinlich würde er die nächsten Tage wie eineKlette an seinem Auto hängen und ihn verfolgen, in der Hoffnung, immer einen Schritt schneller zu sein als seine Kollegen.
Der Kommissar schüttelte den Kopf und fuhr zügig weiter über den Zieherser Weg in Richtung des Zentralfriedhofs. Ein Weg, den er mittlerweile mit geschlossenen Augen fahren konnte.
10.
Er stellte den Wagen an der Künzeller Straße ab und sah sich um. So früh am Tag war niemand außer ihm zugegen. Er konnte unbeobachtet mit dem Kaffeebecher in der Hand den bekannten Weg zu Lauras Grab hinaufgehen. Ab und an nippte er an dem heißen Kaffee. Das Koffein schoss ihm wie ein elektrischer Stromschlag durch den Körper. Als Seeberg am Grab seiner Tochter angekommen war, hatte er den Becher zur Hälfte geleert und stellte ihn auf einer Ecke der Grabplatte ab, die mit leichtem Frost überzogen war. Er kniete sich tiefer und wischte die kleine Eisschicht mit der nackten Hand weg.
»He, Kleine. Scheißkalter Tag heute wieder, was?«
Das Grab war schlicht und nicht so prächtig geschmückt wie die meisten anderen Gräber in diesem Teil des Friedhofs. Seeberg war davon überzeugt, dasses Laura nicht gefallen hätte, wenn so viel Aufsehen um sie gemacht wurde. Sie war eher schüchtern gewesen und nie darauf bedacht, im Mittelpunkt zu stehen. Lediglich eine kleine Kerze brannte auf der rotmarmorierten Platte. Anfangs hatte er sie noch ständig ausgetauscht, nun flackerte das Lichtlein mittels einer Batterie. Auf dem Grab daneben hatten die Angehörigen wohl am Vortag trotz der empfindlichen Temperaturen frische Blumen auf die aus weißem Marmor gefertigte Grabplatte abgestellt. Ein Strauß bunter Blumen in aufwendigem Arrangement. Seeberg überlegte sich, wer nach seinem Grab sehen würde. Ihm fiel niemand ein.
»Wie du siehst, habe ich es doch nicht getan. Noch nicht. Aber bald komme ich zu dir. Ich muss nur noch was erledigen. Weißt schon, ohne mich bekommen die im Präsidium nichts gebacken.« Seeberg schluckte schwer. »Aber dann … dann komme ich zu dir. Versprochen.«
Ein verstohlenes Lächeln huschte um seine Mundwinkel. In den vergangenen Wochen und Monaten war es ein Ritual geworden, Laura zu besuchen. Anfangs sogar mehrmals täglich. Dann saß er einfach nur da und redete mit ihr. Oder er schwieg mit ihr. So hatte er für ein paar Minuten noch immer die Illusion eines gemeinsamen Alltags.
Seeberg sah sich um. Irgendetwas störte ihn. Zunächstdachte er, dass er sich etwas einredete oder die Medikamente ihm übel mitspielten. Doch es ließ ihn nicht los. Stimmte etwas nicht mit Lauras Grab? Er überprüfte es, lief sogar einmal darum herum. Nein. Das war es nicht. Alles war wie immer. Es hatte nichts mit Laura oder dem Friedhof zu tun. Ihm kam der Gedanke, dass es vielmehr etwas mit Pogatetz und Karstensen zu tun haben könnte. Sein Unterbewusstsein meldete so etwas wie einen Treffer. Aber was war es? Er ging alles noch einmal durch. Vom Tanken über Ecksteins Fragen bis zur Fahrt zum Friedhof. Er hatte den Wagen am Parkstreifen an der Straße abgestellt und war zu Fuß bis zum Grab gelaufen. Seine Augen überflogen den Weg, den er gekommen war.
Parkplatz.
Weg.
Bäume.
Mülleimer.
Dann wanderten seine Augen weiter zu Lauras Grab.
Kaffeebecher.
Frost.
Kerze.
Er musterte die nähere Umgebung. Auch hier schien alles so zu sein, wie es sein sollte.
Rasen.
Andere Gräber.
Kreuze.
Blumen.
Stopp.
Treffer!
Konnte das wirklich sein? Er musterte das Nachbargrab, ging die wenigen Schritte hinüber und fühlte die Blumen des bunten Straußes. Er musste unweigerlich schlucken.
»Ja doch, ja. Das könnte vielleicht wirklich passen.«
Er hatte etwas übersehen. Vielmehr war es die ganze Zeit zu sehen gewesen, doch genau
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