Rhönblut: Kriminalroman (German Edition)
gegen als für eine Beziehung. Er war Ende dreißig und langjähriger Bulle, sie war zehn Jahre jünger und eine aufstrebende Jungdesignerin mit Träumen von New York und Mailand. Die unerwartete Schwangerschaft vermochte ihre Beziehung nur kurz zu verbessern. Doch für ihre gemeinsame Tochter Laura rissen sie sich immer wieder zusammen und lebten eine zwar konfuse, aber für sich funktionierende Lebensgemeinschaft. Bis zu dem schrecklichen Tag. Helena war kurz nach Lauras Tod mit einem noch älteren Mann, als es Seeberg war, in die USA geflohen. Er hatte angeblich gute Kontakte und mehr Geld, um ihre Karriere zu unterstützen. Seeberg blieb zurück und hatte seitdem nie wieder etwas von ihr gehört.
»Darf ich fragen, warum Sie mich haben rufen lassen?«
Der Vizepräsident nahm seine Lesebrille ab, lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und begann auf dem Ende eines Brillenbügels herumzukauen. Schließlich seufzte er und legte die Brille vor sich auf den Tisch. »Wie macht er sich?«
»Wer?«
Der Vizepräsident lehnte sich vor.
»Nun fragen Sie nicht so scheinheilig. Sie wissen genau, von wem ich spreche.«
»Sie meinen Seeberg? Nun, er ist gerade erst wieder in den Dienst eingetreten. Ich kann da nicht viel zu sagen. Wir müssen ihm einfach etwas Zeit geben. Aber so wie ich ihn kenne, wird er sich schon wieder reinbeißen.«
»Reinbeißen?«, wiederholte Bornemann. Es klang sarkastisch.
»Ja, reinbeißen. Er ist ein Kämpfer, aber ich weiß nicht, wie stark er bereits wieder ist. Wir müssen Geduld haben.«
»Herr Kohler, ich bin nicht in der Position, Geduld aufbringen zu können. Wir brauchen Ergebnisse.«
»Wenn einer den Täter aufspürt, dann ist es Klaus.«
»Ich möchte über jeden Schritt der Ermittlungen in Kenntnis gesetzt werden. Und das ist keine Bitte, Kohler, sondern eine Anordnung. Haben Sie das verstanden?«
Die Deutlichkeit in Bornemanns Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass es dem Vizepräsidenten sehr ernst war. Unwillkürlich versuchte Kohler den Blicken seines Vorgesetzten auszuweichen.
»Wie Sie sicherlich wissen, ist Klaus Seeberg nichtnur ein Kollege von mir, er ist ein Freund. Das müssen Sie verstehen.«
»Genau deswegen verlange ich Ihre Unterstützung.« Die flache Hand des Vizepräsidenten knallte auf die Tischplatte. »Dieser Mann ist ein psychisches Wrack. Schauen Sie ihn doch nur mal an. Unrasiert, ungepflegt … Wir stehen wegen des Mordfalls im Fokus der Öffentlichkeit. Da können wir es uns nicht erlauben, dass Seeberg mitten in den Ermittlungen irgendwann die Sicherungen durchknallen, weil ihn irgendwas an seine Tochter und deren tragisches …« Bornemann führte den Satz nicht zu Ende, sondern blies seine Wangen auf und ließ die Luft langsam wieder entweichen. »Na ja, Sie wissen, was ich meine.«
Kohler nickte. Er wusste, dass dieses Risiko in der Tat bestand. Niemand wusste, wie und ob Seeberg sich wieder eingliedern konnte.
»Sie sind einer der Kollegen, die ihn am längsten kennen und denen er vertraut. Wenn Sie also etwas Gutes für ihn tun wollen, dann halten Sie mich auf dem Laufenden.«
Kohler zögerte. Dann nahm er den nötigen Mut zusammen, um zu sagen, was er schon lange sagen wollte.
»Ich möchte ehrlich zu Ihnen sein, Bornemann. Klaus ist ein hervorragender Beamter. Wahrscheinlich der beste, den wir haben. Dass er damals nichtden Posten bekommen hat, sondern ich, kann ich bis heute nicht nachvollziehen. Und etwas hinter seinem Rücken zu machen geht mir gewaltig gegen den Strich.«
Der Vizepräsident musste schmunzeln.
»Großer Gott, Sie müssen auch nicht alles nachvollziehen können, was wir entscheiden. Und dass es Ihnen gegen den Strich geht, mir Auskunft über seinen Zustand zu geben, werden Sie wohl verkraften, Kohler. Und seien Sie sich sicher, wenn es nicht funktionieren sollte mit ihm und wir uns vor der Öffentlichkeit und Presse lächerlich machen sollten, scheue ich mich auch nicht davor, weitgreifendere Konsequenzen zu ziehen. Sie sind schließlich der verantwortliche Beamte. Sie verstehen, was ich damit ausdrücken möchte?«
»Selbstverständlich.«
»Schließen Sie bitte die Tür hinter sich, wenn Sie gehen. Einen schönen Tag noch.«
Bornemann setzte seine Brille wieder auf und vergrub sein Gesicht in den Akten. Als Kohler zur Tür ging, bemerkte er, dass sein Hemdrücken schweißnass war.
8.
Im Fernsehen lief als Spätfilm eine Wiederholung des Blockbusters Basic Instinct mit Michael Douglas und Sharon
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