Rhönblut: Kriminalroman (German Edition)
Was gibt es zum Todeszeitpunkt?«
Julia Freitag übernahm die weitere Ausführung, was dem jungen Ammer sichtlich recht war. Sie kannte den Kommissar besser und wusste, dass er manchmal schroff wirkte, besonders wenn man ihn nicht kannte.
»Laut der medizinischen Abteilung trat der Tod bereits gestern zwischen acht Uhr Abend und Mitternacht ein.«
»Also lag das Opfer bereits fast einen Tag hier«, stellte Seeberg fest. »Sonst irgendwas? Zeugen, Hinweise?«
»Nein, nichts. Der Junkie scheint der Einzige zu sein, der was mitbekommen hat. Aber der ist so zugedröhnt,dass wir erst mal ’ne Weile warten müssen, bis wir ihn vernehmen können. Und mit der Feststellung der Personalien wollten wir warten, bis Sie hier sind.«
»Gut. Dann fangen Sie mal an, Ammer.«
»Ich?« Der junge Beamte zuckte zusammen. Doch statt zu antworten, zog Seeberg nur seine Brauen fragend nach oben. Der junge Kollege tauschte einen kurzen Blick mit Kohler, der ihm mit einer Handbewegung verdeutlichte, dass er mit der Durchsuchung des Opfers beginnen solle.
»Na gut, wie Sie wünschen.« Sogleich kniete sich Ammer zu der Kleidung und begann mit der Innenseite des Jacketts. »Ein Schlüssel, in einem Etui und eine Brieftasche.«
Ammer öffnete sie und kontrollierte für alle sichtbar deren Inhalt.
»Deutscher Pass. Ferdinand Karstensen, geboren 17. Februar 1946 in Hamburg. Zwei Kreditkarten, eine Tankkarte, ein Bewirtungsbeleg eines Restaurants vom gestrigen Abend … oh, Herr Karstensen hat es sich anscheinend gutgehen lassen.« Ammer blätterte die weiteren Fächer des Geldbeutels durch. »Und circa achtzig Euro in bar.«
Er reichte den Beleg an Kohler weiter, der ebenfalls anerkennend pfiff.
» Goldener Karpfen . Das ist eins der besten Lokale mit einer der exzellentesten Weinkarten der Stadt. Istauch beliebt bei solventen Geschäftsleuten, die dort gerne ihre Kunden einladen.«
»Du scheinst dich gut auszukennen.«
Kohler nickte. »Ja. Leider. Meine Frau lässt sich immer dahin ausführen, wenn ich irgendein Jubiläum vergessen habe. Du kennst mich, ich bin öfter dort, als mir lieb ist. Mittlerweile denke ich manchmal, dass es meiner Frau sogar lieber ist, wenn ich unseren Hochzeitstag mal wieder vergesse.«
Seeberg konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.
»Gut, wenn du zu dem Lokal so gute Beziehungen hast, dann überprüf doch bitte, mit wem er dort war. Vielleicht kann sich eine der Bedienungen an ihn erinnern. Und überprüf auch gleich seine sonstigen Aktivitäten mit der Kreditkarte.«
»Mach ich«, erwiderte Kohler, während sich der Kommissar zum Toten beugte und an dem Leichnam sowie der Kleidung roch. Verwundert stellte er sich wieder auf.
»Warum stinkt es hier so nach Verwesung, wenn der Tote noch keine vierundzwanzig Stunden tot ist? Bei der Kälte dürfte das doch nicht sein. Seine Kleidung ist es jedenfalls auch nicht. Die scheint frisch gewaschen.«
Kohler deutete in eine der weniger ausgeleuchteten Ecken des Gewächshauses.
»Das haben wir uns zunächst auch gefragt. Die Erklärung wächst dort hinten. Diese riesigen, roten Pflanzen. Die stinken wie die Pest.«
Seeberg ging die wenigen Schritte zu den roten Gewächsen und blieb vor ihnen stehen. Tatsächlich, der Gestank kam von den zwei Blüten, die gut einen halben Meter Durchmesser hatten und ihre leuchtend roten Blätter über den Boden spreizten.
»Wer kauft denn solche Blumen?«
»Tja, man soll nicht glauben, was sich die Leute so alles zu Hause in den Garten pflanzen.«
Seeberg schüttelte den Kopf und kam wieder zu den anderen herüber.
»Wir warten noch die restlichen Ergebnisse der Spurensuche ab. Nehmt noch eine Mütze Schlaf, ihr werdet in den nächsten Tagen nicht oft dazu kommen.«
Alle nickten. Sie ahnten, dass der Kommissar recht behalten würde.
»Wir treffen uns morgen früh um halb acht im Präsidium, in meinem Büro.«
Ammer und Freitag zögerten und warfen einander Blicke zu, sagten aber nichts. Erst Kohler fasste Mut und sah den Kommissar eindringlich an. Auch ihm schien irgendetwas unbehaglich zu sein.
»Klaus, wir wussten nicht, ob du wiederkommen wirst. Daher wurde dein Büro geräumt und anderweitiggenutzt. Du musst verstehen, die ganze Situation …«
»Schon in Ordnung.« Seeberg winkte ab und überlegte im selben Moment, ob das eine Lüge war. »Das verstehe ich.«
»Ich stelle dir für den Fall aber gerne mein Büro zur Verfügung. Ist das okay für dich?«
Zunächst wollte Seeberg instinktiv intervenieren,
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