Rhönblut: Kriminalroman (German Edition)
richtig? Was haben wir denn bisher?«
Für Ammer war dies eine allzu verlockende Möglichkeit, sich ins Gedächtnis des Vizepräsidenten zu rufen. Wie aufs Stichwort sprang er von seinem Stuhlauf und hielt Bornemann seine Akte entgegen. Doch Seeberg versperrte ihm mit seinem ausgestreckten Arm den Weg.
»Setzen Sie sich, Ammer.«
Verwirrt sah Ammer zunächst den Kommissar, dann Kohler an. Als dieser ihm zunickte, glitt er wie befohlen zurück hinter seinen Schreibtisch.
»Wir haben bisher noch keine wirklichen Erkenntnisse sammeln können, Bornemann«, erklärte Seeberg. »Soeben wollten wir die Auswertungen der Spurensuche zusammentragen und uns ein erstes Bild machen. Wir stecken also noch ganz am Anfang, hoffen aber, dass wir etwas Neues herausfinden können, das uns weiterhilft. Sobald wir etwas Genaueres wissen, wird Kohler sie natürlich sofort davon unterrichten.«
Bornemann spitzte seine Lippen, als wüsste er nicht recht, was er von dieser Aussage halten solle. Wurde hier seine Autorität untergraben? Sollte er die umgehende Einsicht in die Akten Ammers erzwingen? Er überlegte kurz, zog es dann aber vor, von weiteren Fragen abzusehen.
»Gut. Machen Sie das! Sie haben die vollste Unterstützung von meiner Seite.«
Seeberg hielt Bornemann die Tür auf. Es glich eher einem Rausschmiss als einer höflichen Geste. Immerhin zwang Seeberg sich noch ein Dankeschön ab.
»Danke, Bornemann. Wir wissen das sehr zu schätzen.«
Der Vizepräsident drehte sich auf dem Absatz um und zog die Tür hinter sich ins Schloss. Seeberg wartete weitere zwei Sekunden, bis er die sich entfernenden Schritte vernehmen konnte, dann wandte er sich zu Ammer.
»Sie werden nie wieder irgendjemandem Auskunft über unseren Ermittlungsstand geben außer den Personen, die sich in diesem Raum befinden. So etwas dulde ich nicht in meinem Team.«
»Aber Bornemann ist der Vizepräsident.«
»Und wenn er die Reinkarnation von Columbo und Derrick höchstpersönlich wäre. Keine Informationen für irgendwen. Ist das klar?«
Freitag konnte sich ein Kichern nicht verkneifen und erntete dafür ebenfalls einen harschen Blick Seebergs.
»Das gilt für alle.«
»Entschuldigung.«
»Ist das auch für Sie nun klar, Ammer?«
Ammer schluckte, dann nickte er.
Kohler legte Seeberg eine Hand auf die Schulter und deutete ihm damit an, es gut sein zu lassen. Seeberg vergriff sich schnell einmal im Ton oder verbiss sich in einer Meinung. Das hatte ihm bei vielen Kollegen den Spitznamen Terrier eingebracht. Er meintees nicht so und war auch nicht nachtragend, aber die Zusammenarbeit mit ihm konnte gelegentlich aufreibend sein.
»Was Seeberg Ihnen damit sagen möchte, Ammer, ist, dass wir es uns in nächster Zeit nicht erlauben können, irgendjemanden zwischen uns zu lassen. Wir müssen uns blind aufeinander verlassen können. Es könnte sein, dass wir Wege gehen müssen, die für die übliche Polizeiarbeit ungewöhnlich erscheinen.«
Ammer musste sich räuspern, bevor er antwortete.
»Wollen Sie damit sagen, dass wir gegen geltende Gesetze verstoßen sollen?«
»Nein, ganz und gar nicht«, antwortete Kohler. »Aber wir werden die Gesetze bis an die Grenzen ausreizen. Und ich denke, es ist besser, wenn gewisse Abläufe ganz einfach unter uns bleiben.«
Alle nickten. Es war ihnen klar, dass ein besonderes Augenmerk auf diesen Fall gelegt werden würde. Die Medien würden sie belagern, sobald die Identität von Karstensen bekannt geworden war. Es war nur eine Frage der Zeit. Wie Geier würden sie sich auf den Fall stürzen. Einerseits, da es sich um einen Serienmörder zu handeln schien, der nun sogar einen ehemaligen BKA-Beamten ermordet hatte. Zum anderen, weil es Seebergs erster Fall nach dem schrecklichen Tod seiner Tochter war.
»Nun, zeigen Sie mal her, was Sie da herausgefundenhaben«, erklärte Seeberg und griff nach der Akte des jungen Beamten. »Irgendwas Brauchbares dabei, außer dass unser Opfer beim Bundeskriminalamt tätig war?«
»Was?« Kohler konnte kaum glauben, was er da gerade erfuhr. Er hatte von Karstensens Position noch keine Ahnung gehabt. »Ist das euer Ernst?«
Ammer nickte, machte aber ansonsten noch immer einen verstörten Eindruck. Dann übergab er Seeberg die Akte und setzte seine Kollegen in Kenntnis.
»Er war ein ehemaliger Mitarbeiter. Er ist vor einem Jahr in Pension gegangen. Ich habe die Daten beim Einwohnermeldeamt und anderen Ämtern überprüft. Karstensen ist erst vor kurzer Zeit hier nach Fulda gezogen.
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