Rhönblut: Kriminalroman (German Edition)
werden.«
»Konnte man ihn von der Straße aus aktivieren?«
»Auf jeden Fall.«
Seeberg drehte sich zu den beiden Kollegen. »Sie hat also gewartet, bis wir draußen waren, und hat dann die ganz Bude in die Luft gejagt.«
»Wenn du mich fragst«, Kohler inspizierte das, was noch von dem Sprengsatz übrig geblieben war, »war das von langer Hand geplant. Die ganze Wohnung war doch darauf ausgerichtet, sie Hals über Kopf verlassen zu können.«
Ammer sah sich den Laptop in seinen Händen genauer an. »Das ist nicht Freitags Laptop.«
»Was sagen Sie?«
»Dass das nicht ihr Laptop ist.« Ammer schüttelte den Kopf. »Sie war eine dieser Appleverfechter und hatte ein Mac Book. Ich arbeite schon eine ganze Weile mit ihr zusammen, und wir haben uns da öfter drüber unterhalten. Das hier ist aber ein Acer.«
»Reden Sie deutsch mit mir, Ammer. Also ist das nicht der Computer von Freitag?«
»Nein. Das ist ein anderer Hersteller. Es könnte sich um den Laptop von Karstensen handeln.«
»Schauen Sie, ob Sie noch irgendwelche Daten davon retten können. Es scheint da ja zumindest etwas so Wichtiges drauf gewesen zu sein, dass Freitag dafür das Risiko eingegangen ist, erwischt zu werden.«
Ammer griff sich den Laptop und verließ die Wohnung. Seeberg und Kohler bewegten sich durch die Überreste der Wohnung und versuchten, weitere Anhaltspunkte zu sammeln. Der Kommissar beugte sich zu einem Bilderrahmen. Wenigstens einen persönlichen Gegenstand musste es also doch in der Wohnung gegeben haben. In der Mitte des Haufens fand er ein Bild, das seine Befürchtungen untermauerte.
»Was hast du da, Klaus?«
»Hier, sieh selbst.«
Der Kommissar hielt ihm den verbogenen Rahmen entgegen. Kohler strich die Staubschicht vom Schutzglas des Fotos und schwieg, als er die zwei Mädchensah, die darauf vergnügt in die Kamera lächelten. Die Größere der beiden trug eine Zahnspange, während die Kleinere stolz an der Schulter der Schwester lehnte.
»Die zwei Mädchen sind Schwestern. Julia Freitag und ihre Schwester Valerie. Die Schweine haben die beiden Mädchen vergewaltigt, Reinhard. Ich erkläre es dir nachher in Ruhe.«
»Haben Karstensen und Pogatetz die beiden Mädchen …«
»Ja. Sie haben alle ihre gerechte Strafe erhalten. Ich kann Freitag verstehen.«
»Rede keinen Schwachsinn, Klaus. Du weißt genauso gut wie ich, dass das keine Lösung ist. Auch wenn es wirklich so sein sollte, dass Pogatetz, Karstensen und Cunningham diese Vergewaltigung begangen hatten, hätten sie angeklagt und vor ein ordentliches Gericht gestellt werden müssen.«
Seeberg musste lachen. »Ordentliches Gericht? Du weißt doch genau, wie so ein Verfahren aussieht. Es werden Gutachten erstellt und Experten berufen. Und am Ende gehen diese Typen mit einer Bewährungsstrafe nach Hause oder sind nach zwei Jahren wieder draußen, um weiter ihrer kranken Gier nachzugehen.«
»Das wissen wir nicht. Jedenfalls hat Freitag drei Morde begangen, vergiss das nicht.«
»Nein, natürlich nicht.« Seeberg nahm das Foto wieder an sich und schüttelte den Kopf. »Weißt du, was ich mich frage?«
»Was?«
»Jetzt, da wir wissen, wer hinter den Taten steckt, werden wir sie auch kriegen. Früher oder später geht sie uns ins Netz. Und sie als Polizistin weiß das. Ich denke, dass sie sich stellen oder sonst irgendeinen Schlusspunkt setzen wird. Aber flüchten? Nein.«
»Du hast recht. Es sei denn, ihr Racheplan ist noch nicht vollendet.«
»Genau. Ich denke, es gibt noch einen vierten Mann, der auf ihrer Liste steht.«
39.
Sie lenkte den Wagen in die Dämmerung, während links und rechts die Landschaft der Rhön vorbeiflog. Hübner lag noch immer bewusstlos neben ihr. Die Dosis war wohl doch etwas zu groß gewesen, und sie hoffte, dass er überhaupt nochmal aufwachen würde. So leicht durfte er nicht davonkommen. Viel mehr aber beschäftigte sie die Frage, ob Seeberg und die anderen alle unversehrt geblieben waren. Sie hatte schnell handeln müssen, und einen anderen Ausweg hatte es ihrer Meinung nach nicht gegeben. In jedemKrieg gab es Kollateralschäden. Und es war Krieg. Es war ihr Krieg.
Ob sie ihr schon auf den Fersen waren? Sie schätzte, dass sie wenigstens zwei, drei Tage Vorsprung hatte. Dann müsste sie sich um ein neues Versteck kümmern. Aber dann wäre zumindest der wichtigste Teil ihres Racheakts in die Tat umgesetzt. Diese Erkenntnis beruhigte sie, als sie den Wagen durch die schmale Einfahrt steuerte und in dem alten Schuppen
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