Rhosmari - Retterin der Feen
den leeren Park. Irgendwo da draußen stand immer noch heil und lebendig die Eiche mit den aufständischen Feen, darunter Garan und seine Leute. Wenn sie wüssten, was die Kaiserin mit Rhosmari vorhatte, würden sie ihr bestimmt zu Hilfe eilen. Aber wie konnte Rhosmari sie verständigen?
Vielleicht konnte sie den Menschen im Haus neben der Eiche eine Botschaft schicken … aber die Kaiserin überwachte Sarahs Korrespondenz und einen Brief mit der Adresse von Oakhaven würde sie schwerlich übersehen.
Konnte sie einen Vogel ans Fenster locken und ihm einen Zettel ans Bein binden? Nein, denn sie musste dem Vogel ja sagen, wohin er fliegen sollte, und das ging nicht ohne Magie.
Und wenn sie nun … Nein, das ging auch nicht.
Rhosmari hielt sich mit beiden Händen am Fenstersims fest und unterdrückte einen Anflug von Panik. Sie musste eine Möglichkeit finden, Kontakt zu den Rebellen aufzunehmen. Die Kaiserin konnte jeden Tag oder sogar jeden Augenblick zum Aufbruch blasen und Rhosmari befehlen, sie zu den Grünen Inseln zu bringen. Und bei Rhys, was sollte sie dann tun?
Sie starrte immer noch ratlos in die Ferne, da kam Isadora in Sicht. Er trottete auf der gekiesten Einfahrt in Richtung Küche. Der kleine Hund hatte wieder etwas Gewicht zugelegt, brauchte aber weiter regelmäßige Mahlzeiten, um bei Kräften zu bleiben – an diesem Tag war freilich so viel passiert, dass Rhosmari ganz vergessen hatte, ihn zu füttern.
Wenigstens darin konnte sie sich dem Willen der Kaiserin widersetzen. Es fiel ihr allerdings schwer, sich an der Rettung eines Hundes zu freuen, solange die Leben einiger Hundert Feen gefährdet waren … und sie wusste, dass sie schuld war, wenn die Kaiserin diese Feen unterwarf.
Als Rhosmari in die Küche kam, stand Sarah an der Arbeitsplatte und schnitt Gemüse klein. »Ich habe es gründlich satt, extravagante Mahlzeiten zu kochen«, sagte sie und wischte sich mit der Hand über die Stirn. »Was das kostet! Ich muss fast täglich neue Sachen bestellen. Wenn das so weitergeht, habe ich bald kein Geld zum Leben mehr.«
Sie klang so jämmerlich, dass Rhosmari ihr beinahe vom Plan der Kaiserin erzählt hätte. Zwar war sie selber überhaupt nicht froh darüber, dass die Kaiserin Waverley Hall bald verlassen würde, aber wenigstens wäre es für Sarah eine gute Nachricht gewesen. Doch sie konnte sich nicht überwinden, ihre Bürde mit jemandem zu teilen, und fürchtete zudem, Sarah könnte betraft werden, wenn die Kaiserin erriet, dass sie miteinander gesprochen hatten.
Stumm füllte Rhosmari Isadoras Schale, stellte sie vor die Küchentür und sah zu, wie der Hund das Futter gierig hinunterschlang. Doch bald plagte sie eine neue Befürchtung. Wann würde die Kaiserin bemerken, dass der Hund noch lebte, und entsprechende Nachforschungen anstellen? Und was würde sie dann mit Isadora machen?
Rhosmari stützte die Stirn in die Hand. Jedes Mal wenn sie helfen wollte, schien sie alles nur schlimmer zu machen. Jetzt musste sie nicht nur die Ältesten warnen und den Rebellen eine Nachricht zukommen lassen, sondern auch noch überlegen, wie sie Isadora retten sollte …
Niedergeschlagen wandte sie sich zum Gehen. Da fiel ihr Blick auf ein Gemälde an der gegenüberliegenden Wand. Es zeigte eine etwas jüngere Sarah, die lächelnd und mit ihrem Hund im Schoß auf einem Stuhl saß. Hinter ihr stand ein freundlich aussehender Mann. Rhosmari hatte das Gemälde schon früher gesehen, aber nie genauer betrachtet. Jetzt ließ etwas sie innehalten. Sie sah es noch einmal an.
Im Grunde wirkte es genauso verstörend wie das zerschnittene Porträt Philip Waverleys, denn wer die friedliche Szene betrachtete, fühlte sich unwillkürlich daran erinnert, wie sehr Sarah seitdem gelitten hatte. Doch der kühne, kraftvolle Pinselstrich des Künstlers auf der Leinwand und die warm leuchtenden Farben, die er verwendet hatte, beruhigten Rhosmari zugleich und trösteten sie sogar ein wenig. Das Bild schien von einer besseren Welt zu sprechen, die es einmal gegeben hatte und vielleicht wieder geben würde.
»Ein schönes Bild, nicht wahr?« Sarah war hinter sie getreten. »Der Künstler ist in dieser Gegend sehr bekannt, ich war deshalb überrascht, als er sagte, er würde Richard und mich gern umsonst malen. Ich sagte, wir seien auch gern bereit, ihn für seine Arbeit zu bezahlen, aber er bestand darauf, es umsonst zu tun. Als es fertig war, waren wir mit ihm und seiner Frau gut befreundet. Es ist eine Schande, dass er
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