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Rhosmari - Retterin der Feen

Rhosmari - Retterin der Feen

Titel: Rhosmari - Retterin der Feen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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und Podesten lagen all die wunderbaren Dinge, die die Kinder des Rhys von ihren Besuchen in der Welt der Menschen mitgebracht hatten: eine aus schillerndem Glas gefertigte Qualle, ein in geprägtes Leder gebundener schmaler Gedichtband oder ein Seidenschal in den Farben des Feuers. Und an der hinteren Wand unmittelbar neben der Tür zum Archiv hing leicht und elegant wie ein Möwenflügel eine Harfe.
    Ihr Vater hatte sie aus Milford Haven mitgebracht, als Rhosmari noch ein Kind gewesen war, und auch noch einige unvergessliche Stunden lang gewusst, wie man sie spielte. Rhosmari hatte die ganze Zeit neben ihm gesessen und fasziniert den Tönen gelauscht, die wie durch Zauberei von den Fingerspitzen ihres Vaters perlten – und als die Musik aus war, hatte sie geweint. Sie hatte es damals so grausam gefunden, dass die Feen über keine eigenen schöpferischen Kräfte verfügten und die Talente, die sie bei ihren Besuchen in der Menschenwelt aufnahmen, nach ihrer Rückkehr auf die Grünen Inseln schnell vergingen. Doch ihr Vater hatte sie mit der Hand am Kinn gefasst, ihre Tränen weggewischt und gesagt, dass er alle Lieder in einer Wissenskapsel für sie gespeichert hatte, wo sie sie anhören konnte, sooft sie wollte.
    Hinter ihr knarrten die Dielen und sie drehte sich um. Fioled war zurückgekehrt. Sie hatte frische Kleider angezogen und ihre Haare waren noch nass vom Bad. »Alles in Ordnung?«, fragte sie. »Das war bestimmt anstrengend.«
    »Mir geht es gut«, sagte Rhosmari. »Aber wenn die Kinder so reden, tun ihre Eltern das bestimmt auch. Wissen sie wirklich nicht mehr, was der Namensstein bewirkt? Glauben sie, wir seien ohne ihn in Gefahr?«
    »Keine Ahnung.« Fioled drückte das Ende eines blonden Zopfes aus und warf ihn sich wieder über die Schulter. »Aber was Garan getan hat, hat alle aufgeschreckt. Den Stein wegzugeben war ja schon schlimm, aber zum Festland zu fliehen und die Hälfte der unverheirateten Männer der Gwerdonnau Llion mitzunehmen? So etwas haben wir nicht erlebt seit …«
    Sie verstummte, bevor sie es aussprach, aber für Rhosmari machte es keinen Unterschied. Seit dem Tod deines Vaters .
    »Deshalb sind natürlich alle beunruhigt«, fuhr Fioled fort. Sie war ein wenig rot geworden. »Und fürchten, etwas noch Schlimmeres könnte passieren. Das ist nur verständlich. Was ich dagegen nicht verstehe, ist« – sie sah Rhosmari von der Seite an –, »wie du so ruhig sein kannst, zumal nach dem, was Garan dir angetan hat.«
    Rhosmari presste die Lippen zusammen. Warum wollten alle nur darüber reden? Garan war weg, und sie konnte es nicht ändern. »Du wolltest mir etwas erzählen.«
    »Ach ja!« Fioled begann zu strahlen. »Lady Arianllys hat mir heute Morgen mitgeteilt, ich sei ausgewählt worden!«
    Rhosmari brauchte nicht zu fragen, für was. Die Kinder des Rhys losten jeden Monat aus, wer aufs walisische Festland gehen durfte, um Dinge von den Menschen zu kaufen und Augenzeuge von deren erstaunlichen schöpferischen Fähigkeiten zu werden. Nur fünf oder sechs Rhysaner durften jeweils gehen und sie blieben nie länger als einen Tag, doch selbst ein kurzer Besuch in der Welt der Menschen galt als unvergessliches Erlebnis.
    »Das freut mich für dich«, sagte Rhosmari aufrichtig, denn wenn schon jemand ihren Platz einnehmen musste, dann war ihr Fioled am liebsten von allen. Trotzdem fiel es ihr schwer, ihre Enttäuschung zu verbergen, schließlich war zuerst ihr Name gezogen worden. Doch dann hatten die Ältesten ihr verboten zu gehen.
    Oder jedenfalls ihre Mutter.
    »Ach Rhosmari.« Fioled sah sie voller Mitgefühl an. »Es tut mir so leid. Aber du bist auch bald dran, bestimmt. Und ich verspreche dir, wenn ich zurückkomme, erzähle ich dir alles.«
    Rhosmari nickte. »Hat Lady Arianllys noch etwas gesagt?«, fragte sie. »Ich habe sie heute Morgen nicht gesehen und sie hat keine Anweisungen hinterlassen.«
    »Sie wurde zu einer Besprechung mit den Ältesten gerufen«, sagte Fioled. »Und sie hat uns gebeten, einige ältere Wissenskapseln zu kopieren, die schon abgenutzt sind. Hier.« Sie führte Rhosmari ins Archiv und zog ein Tablett heraus, auf dem einige ovale Kapseln lagen, die von der Berührung vieler Hände glatt und dunkel waren. »Die oberen wurden von deinem Vater hergestellt. Vielleicht solltest du mit ihnen anfangen, dann ist die Qualität wieder besser.«
    Wissenschaftlich gesehen hatte Fioled recht. Wissenskapseln waren magische Aufzeichnungen wichtiger Ereignisse, doch

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