Rhosmari - Retterin der Feen
abführen.«
Malves Küchengehilfinnen hatten sich ängstlich im Gang versammelt. Einige verfolgten das Geschehen mit offenem Mund, andere schluchzten. Schließlich kam eine bleiche Holly aus der Küche und scheuchte sie entschlossen wieder nach drinnen. Broch hatte Malve inzwischen entwaffnet und fesselte ihr die Hände auf den Rücken. »Du machst uns mehr Mühe, als du wert bist«, brummte er. Malve fuhr herum und spuckte ihn an, doch er wich ihr aus.
»Lass das, Malve«, sagte Garan streng. »Du hast schon genug Schande über dich gebracht.«
»Schande, ja? Du hältst dich wohl für einen besonders feinen Herrn?«, fauchte Malve. »Oder sollte ich sagen für einen König? Ich habe schon gemerkt, wie du Baldriana immer ansiehst. Man kann auf ganz verschiedene Weise den Thron an sich reißen.«
Rhosmari sah Garan erschrocken an, doch er schüttelte den Kopf. »Du hast ein gehässiges Mundwerk, Malve. Baldriana ist fünfmal so alt wie ich oder noch älter. Verglichen mit ihr bin ich ein Kind – und ich bin kein Narr.« Er nickte Llinos und Broch zu. »Bringt sie zur Königin. Ich komme gleich nach.«
Die beiden männlichen Feen führten Malve zur Treppe, doch als die Köchin Rhosmari sah, blieb sie widerspenstig stehen. »Du! Das wirst du noch bereuen, du miese kleine Spionin. Wenn ich dich erwische, werde ich …«
Broch schnitt den Satz mit einem Fingerschnippen ab, bevor Malve ihn zu Ende sprechen konnte. Ihr Mund bewegte sich trotz des Schweigezaubers weiter und gelobte stumm Rache.
Traurig wandte Rhosmari sich ab.
FÜNFZEHN
»Rhosmari!«
Es war kaum mehr als ein Flüstern im Dunkeln, trotzdem erkannte sie Timothys Stimme sofort. Sie warf die Bettdecke zurück und eilte zum Fenster. Timothy spähte mit einem riesigen graugrünen Auge zu ihr herein.
»Was ist?«, fragte sie und überspielte ihren Schrecken. »Und wer hat dir gesagt, wo du mich findest?«
»Linde. Sie sagte, du hättest ein schreckliches Zimmer. Deshalb schickt Peri mich. Ich soll dir das Gästezimmer im Haus anbieten und dir sagen, dass du dort schlafen kannst, solange du willst.«
Rhosmari blickte in die enge Kammer hinter ihr, die so kahl wie eine Gefängniszelle war und kaum wohnlicher. Sie kratzte sich an der Schulter an einer Stelle, an der die Strohmatratze sie immer pikste, und dachte an Malve, die in dem Lagerraum nur zwei Stockwerke unter ihr eingesperrt war.
»Also gut«, sagte sie. »Ich hole meine Sachen.«
Sie zog sich an und versetzte sich mit einem Sprung auf die steinerne Terrasse hinter dem Haus. An der Glastür wartete schon Peri und ließ sie hinein. »Du bist im ersten Stock am Ende des Flurs, neben dem Badezimmer«, sagte sie. »Morgens kannst du mit uns frühstücken oder in der Eiche, wie du willst.«
Rhosmari sah sich nach Timothy um, aber er war wieder verschwunden. »Ihr seid sehr freundlich«, sagte sie mit einem kleinen Knicks zu Peri und machte sich auf den Weg zu ihrem neuen Zimmer.
In dieser Nacht schlief sie tief und traumlos und so gut, wie sie seit Wochen nicht mehr geschlafen hatte. Bei Tagesanbruch wachte sie von selbst auf. Sie war ausgeruht, aber auch hungrig und deshalb froh über Peris Angebot, mit den Menschen zu frühstücken. Timothy saß bereits angezogen, aber noch schläfrig am Tisch. Seine Haare standen an einer Seite hoch. »Orangensaft?«, fragte er, als sie eintrat, und gähnte hinter vorgehaltenem Ellbogen ausgiebig.
»Ja bitte«, sagte Rhosmari. Paul stellte einen Teller mit Rührei auf den Tisch, drehte sich geschickt mit seinem Rollstuhl und rollte zu Peri zurück, um den Speck zu holen. In der Küche war es im Vergleich zum lärmenden Speisesaal in der Eiche angenehm ruhig – fast so ruhig wie beim Frühstück im Haus von Rhosmaris Mutter, allerdings viel entspannter. Eine Zeit lang waren nur das Klappern des Bestecks und das Knirschen des mit Butter bestrichenen Toasts zu hören.
»Eins würde mich interessieren, Rhosmari«, sagte Paul schließlich. »In welchem Alter heiraten die Feen auf den Grünen Inseln eigentlich? Denn Garan sieht aus, als sei er alt genug, während du mir als seine Verlobte noch ziemlich jung vorkommst.«
»Wir haben uns verlobt, als ich vierzehn war«, sagte Rhosmari, ohne Timothy aus den Augen zu lassen, der sich gerade Saft einschenkte. »Aber jetzt sind wir es nicht mehr.«
Ein Spritzer Orangensaft schoss auf das Tischtuch. Timothy richtete den Krug hastig auf und betupfte ihn mit seiner Papierserviette. »Wirklich?«, sagte er. »Das …
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