Rhosmari - Retterin der Feen
wusste, aber …
»Etwas Interessantes gefunden?«
Rhosmari hätte fast das Buch fallen lassen. »Timothy! Was machst du denn hier?«
»Ich suche dich.« Er klang unbekümmert, als hätten sie am Vorabend nicht gestritten. »Paul, Peri und ich wollten Tee trinken und ich dachte mir, du leistest uns vielleicht gern Gesellschaft.«
War es schon so spät? Offenbar hatte sie das Mittagessen ausgelassen, ohne es zu bemerken. »Das ist nett von dir«, sagte sie stockend. »Ich muss mich übrigens noch bei dir entschuldigen …«
Timothy hob die Hand. »Nicht nötig. Gestern war für uns alle ein anstrengender Tag, aber vor allem für dich. Ich mache dir keine Vorwürfe. Dein Verhalten war …« Er brach ab. »Gut, menschlich ist vielleicht nicht das richtige Wort, aber du weißt, was ich meine.«
»Ja.« Rhosmari musste über sein zerknirschtes Gesicht unwillkürlich lächeln.
»Gut, dann lassen wir das auf sich beruhen.« Er blickte ihr über die Schulter. »Du liest Heides Tagebücher? Wozu?« Er klang, als hätte er sie auch gelesen.
»Um Jasmin besser zu verstehen. Wenn wir das tun, fällt uns vielleicht ein, wie wir sie aufhalten können.«
»Das wäre natürlich großartig«, sagte Timothy. »Wobei mir als Anfang schon genügen würde zu wissen, wann sie angreift.« Er lehnte sich gegen die Tischkante. »Ich würde ja gern Rob glauben, wenn er sagt, die Kaiserin sei noch zu schwach oder hätte zumindest nicht so viele Gefolgsleute, wie sie behauptet. Aber Königin Baldriana meint, dass sie auf etwas wartet, und Peri und ich meinen das auch. Zumindest scheint sie auf etwas gewartet zu haben, bevor sie die Idee hatte, die Grünen Inseln zu überfallen … und jetzt, wo du ihr entkommen bist, wartet sie offenbar wieder.«
»Vielleicht«, sagte Rhosmari, »aber lange kann sie nicht mehr warten. Wenn sie nicht verhindert, dass Garan und seine Leute die Feen mit dem Namensstein befreien, hat sie den größten Teil ihrer Sklaven bald verloren.«
»Stimmt.« Timothy stand auf. »Es muss sich also um etwas ziemlich Wichtiges handeln, wenn sie sich so lange Zeit lässt. Wir sollten darüber mit Peri sprechen, womit ich wieder beim Tee angelangt wäre. Kommst du nun?«
Rhosmari klappte das Tagebuch zu und legte es auf den Stapel. »Warum eigentlich nicht? Ich komme.«
Sie folgte Timothy nach draußen in den Garten. Über ihnen wölbte sich ein wolkenlos blauer Himmel und die Sonne schien hell durch die Äste der Eiche. Es war warm und ein laues Lüftchen wehte, und wenn auf der anderen Seite der Hecke statt einer Wiese Wasser gewesen wäre, hätte sie sich fast einbilden können, auf den Grünen Inseln zu sein …
Nein, daran wollte sie jetzt nicht denken. Aber es war auf jeden Fall ein schöner Frühlingstag. Sie sah, dass Timothy den Kragen geöffnet und die Ärmel hochgekrempelt hatte, und schlüpfte aus ihrer Jacke und legte sie am Fuß der Eiche ab. Dann ging sie neben ihm über den Rasen, auf dem sich einige Feen zum täglichen Training um Rob, Garan und Dorna versammelt hatten.
Vor der Rosenhecke auf der linken Seite zeigte Rob seinen Schülern verschiedene Angriffs- und Abwehrzauber. Rechts erklärte Dorna einer nervös aussehenden jungen Fee, wie man mit Pfeil und Bogen schoss. »Strecke den Arm«, sagte sie. »Spanne die Rückenmuskeln an … und spreize den Daumen nicht ab, sonst stößt du ihn dir noch ins Auge.«
In der Mitte des Rasens kämpften einige Rebellen und Kinder des Rhys gegeneinander. Das Klacken ihrer Holzschwerter vermischte sich mit dem Rascheln des Grases und dem Zwitschern der Vögel. Da die Feen ihre kleine Gestalt beibehalten hatten, war genug Platz für alle. Kein Mensch hätte sie so schnell auf dem von den umliegenden Wiesen durch hohe Hecken abgeschirmten Übungsplatz bemerkt. Der Platz war, wie Rhosmari an den Kraftwellen an den Rändern des Gartens spürte, sowieso zusätzlich durch einen Zauber geschützt.
»Hoffentlich findest du heraus, wie wir Jasmin ohne Kampf besiegen können«, sagte Timothy. »Aber für den Fall, dass du nichts findest, wäre es vielleicht nützlich, wenn du lernst, dich zu verteidigen.«
Er hatte es ohne jeden Vorwurf gesagt, aber Rhosmari war trotzdem ein wenig verärgert. »Das kann ich schon«, sagte sie.
»Wirklich?«
»Ja.«
»Und … was genau kannst du? Ich meine, was ist deine Spezialität?«
Natürlich musste er das fragen – obwohl das wirklich niemand wissen sollte. »Spielt das eine Rolle? Ich habe wie alle anderen jedes Jahr an
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