Rhosmari - Retterin der Feen
den Rhysischen Spielen teilgenommen und gut abgeschnitten.«
»Dann kannst du mir doch bestimmt etwas vorführen?«
In seine Augen war ein Funkeln getreten, das ihr nicht gefiel. Es erinnerte sie an Rob, als er vorgeschlagen hatte, die Kaiserin anzugreifen. »Ich soll gegen dich kämpfen?«, fragte sie. »Nein.«
»Dann gegen jemand anders. Du musst ja niemandem wehtun. Zeig mir nur, was du kannst.«
Rhosmari schwieg.
»Sieh mal, wenn du dich nicht traust …«
»Ich bin nicht schüchtern«, erwiderte sie tonlos. Sie hatte die Hände zu Fäusten geballt. »Ich will nur nicht. Warum glaubst du mir nicht einfach? Warum brauchst du einen Beweis?«
»Ich brauche keinen Beweis, ich will nur eine kleine Vorführung. Schließlich hast du gesagt, du lehnst kämpfen ab, weißt du noch? Da kannst du mir das nicht übel nehmen.«
Er lockte sie, wollte sie dazu bringen, gegen ihre Prinzipien zu verstoßen. »Also gut«, sagte sie. »Wenn du mir nicht glaubst, dann vielleicht jemand anders.« Sie ging zu Garan, der mit einem Bogen in der Hand vor dem Gartenschuppen stand und einigen Eichenfeen zeigte, wie man damit zielte. »Garan«, rief sie, »bin ich in der Lage, mich zu verteidigen, oder nicht?«
Garan sah sie für einen Moment verwirrt an, dann wanderte sein Blick zu Timothy und seine Miene wurde undurchdringlich. »Das kann ich nicht beurteilen«, sagte er.
Rhosmari starrte ihn sprachlos an. Sie hatte nicht erwartet, dass er sie so schnöde im Stich lassen würde. Unwirsch riss sie ihm den Bogen aus der Hand, legte einen Pfeil ein und schoss ihn ins Schwarze der vierzig Schritte entfernten Zielscheibe.
»Vielleicht kannst du es jetzt«, schimpfte sie, machte kehrt und marschierte wütend zur Eiche zurück.
In die Bibliothek zurückgekehrt, vergrub sie das Gesicht in der Armbeuge. Ihre Wut war vergangen und sie verstand nicht mehr, warum sie sich so hatte hinreißen lassen. Was machte es schon, wenn Timothy sie für schwach, ungeschickt oder feige hielt? Sollte er sie ruhig verachten und wie die meisten anderen glauben, sie sei nur eine Wissenschaftlerin.
Doch es war zu spät, sie hatte einen Pfeil geschossen. Genauso gut hätte sie schwerbewaffnet und behängt mit ihren sämtlichen Medaillen der Rhysischen Spiele zur Eiche kommen können. Wer Rhosmari einmal hatte schießen sehen, wollte sie unbedingt im Kampf an seiner Seite wissen. Keine Armee konnte auf einen Schützen ihres Kalibers verzichten.
Doch für Rhosmari war undenkbar, auf ein Lebewesen zu schießen, auch nicht für eine gerechte Sache. Absichtlich Blut zu vergießen hätte geheißen, alles zu missachten, was der Tod ihres Vaters sie gelehrt hatte. Schlimmer noch, sie hätte jede Hoffnung begraben müssen, in ihre Heimat und zu ihrem Volk zurückzukehren.
»Rhosmari.«
Die Stimme gehörte Garan. Rhosmari fuhr hoch und zog die Bücher zu sich. »Ich wollte dich vorhin nicht ärgern«, fuhr Garan fort. »Ich weiß, dass du nicht kämpfen willst, aber du bist so gut im Bogenschießen und ich dachte … vielleicht willst du Timothy zeigen, was du kannst.«
»Warum sollte ich?« Rhosmari klang abweisend. Garan sollte ihre Beschämung nicht spüren.
»Vielleicht weil du ihn loswerden willst? Er spielt sich als dein Beschützer auf, seit er dich in Waverley Hall befreit hat. Und obwohl ich ihm gesagt habe, dass wir hier gut auf dich aufpassen, taucht er ständig auf. Du lachst mich jetzt wahrscheinlich aus, aber … ich glaube, er mag dich.«
Rhosmari mied Garans Blick aus Furcht, sie könnte lachen oder weinen. Sie schlug ein Buch auf und blätterte darin. »Wie kommst du darauf?«
Garan räusperte sich. »Rhosmari … du hältst das Buch verkehrt herum.«
Das Blut schoss ihr ins Gesicht. Sie klappte das Buch zu – und im selben Moment ertönte im Gang draußen ein mächtiger Donnerschlag. Schreie wurden laut, dann folgte ein zweiter Schlag. Garan und Rhosmari sprangen auf und stürzten durch die Tür der Bibliothek. Im nächsten Moment streckte Garan den Arm aus, um Rhosmari zurückzuhalten. Vor ihnen stand mit gezücktem Messer und mit dem Rücken zum Tor der Königin Malve. Vor ihr standen Llinos und ein ratlos aussehender Broch.
»Fasst mich nicht an!«, keuchte Malve.
»Wir sind hier, um dich im Namen von Königin Baldriana zu verhaften«, sagte Llinos ruhig und fest. »Du musst dich einer Untersuchung stellen. Wenn du nichts getan hast, brauchst du auch nichts zu fürchten. Aber wenn du Widerstand leistest, werden wir dich mit Gewalt
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