Richard Castle
auch immer, dann befindet sich der Mörder immer noch dort draußen. Also lassen Sie mich jetzt meine Arbeit machen. Denn wenn Sie den falschen Mann verhaftet haben, würden Sie das dann lieber jetzt erfahren oder erst wenn der Bezirksstaatsanwalt Ihren Fall auf einer Pressekonferenz auseinandernimmt?“
Nikki stellte erfreut fest, dass Wally bei dem Gedanken daran erschrocken die Augen aufriss. „Okay, Heat. Sie haben einen Versuch. Nutzen Sie ihn. Ich werde zusehen.“
Hank Norman Spooners Augen leuchteten auf, als Detective Heat den Vernehmungsraum betrat. Ein Lächeln, das Nikki ein wenig zu breit erschien, begrüßte sie, als sie sich ihm gegenüber an den Tisch setzte. Sie sagte nichts, sondern ließ die ersten Eindrücke ungefiltert auf sich wirken. Sie erwiesen sich immer als wertvoll, und damit sie sie ungestört in sich aufnehmen konnte, sperrte sie alles andere aus: das, was bei dem Fall auf dem Spiel stand; den Aufruhr der Tage seit dem Fund im Tiefkühllaster; Irons und die anderen Zuschauer hinter dem Einwegspiegel. Für Nikki Heat lief es immer wieder darauf hinaus, alles mit einem unvoreingenommenen Blick zu betrachten.
Er hatte sich nicht rasiert, schaffte es aber dennoch, gepflegt zu wirken. Laut seiner Akte war er zweiundvierzig, aber sie hätte ihn sieben Jahre jünger geschätzt. Sie führte das auf den schlanken Körperbau und das jungenhafte Gesicht zurück. Und auf die Haare. Sie waren ordentlich geschnitten, gescheitelt und rot. Nicht knallrot, sondern ein wenig dezenter. Kastanienrot. Die einen Tag alten Bartstoppeln schimmerten eher blond, sodass sie auf seinen Wangen kaum zu erkennen waren. Letztere, so bemerkte sie, waren rot angelaufen, während sie ihn betrachtete. Und er hatte nach wie vor dieses zu freundliche, zu vertraute Grinsen aufgesetzt. Seine Zähne waren leicht gelblich, was ihm offenbar bewusst war, denn er bedeckte sie so gut es ging mit seiner Oberlippe. Seine Hände waren unter dem Tisch auf seinem Schoß gefaltet, weshalb sie ihre Betrachtung auf später verschieben musste. Hände gaben Nikki nach den Augen die besten Hinweise. Seine Augen blieben auf ihre gerichtet, und in ihnen lag etwas, das sie nur als Glückseligkeit beschreiben konnte. Und der Blickkontakt war gut. Wie das Lächeln, zu gut. Sein erster Satz bestätigte ihren anfänglichen Eindruck.
„Ich kann nicht fassen, dass ich die echte Nikki Heat kennenlerne.“
Hank Spooner war ein Fan.
Sie beschloss, nicht darauf einzugehen, behielt eine klinische Distanz bei und wandte sich seiner Akte zu. Die Fankarte konnte sie später noch ausspielen, falls es nötig wurde. Momentan wollte sie einfach nur zuhören und etwas erfahren. Wenn dieser Mann tatsächlich der Mörder war, wollte Nikki die Informationsstückchen aufsammeln, die ihr das beweisen würden. Wenn er es nicht war, musste sie auf die Ungereimtheiten achten, um auch das herauszufinden. Heat tat das, was sie bei jeder Befragung tat: Sie schob ihre Voreingenommenheit beiseite und passte genau auf.
„Ich benötige noch ein paar Klarstellungen bezüglich Ihrer Aussage.“
„Kein Problem.“
„Aber zuerst möchte ich Ihren Hintergrund verstehen.“
„Was immer Sie wissen wollen, Detective.“
„Sie hatten bei einem Ihrer Jobs als Wachmann Probleme.“
„Eigentlich war es eher ein Missverständnis.“ Seine Handschellen klapperten, als er seine Hände hob, um zu gestikulieren. Sie war nicht weiter überrascht, dass seine Nägel tadellos gepflegt und seine schlanken Finger sauber und mit leichten Sommersprossen bedeckt waren wie die Haut unter seinen Augen.
„In der Anklageschrift steht, Sie hätten Gegenstände aus den Büros gestohlen, die Sie bewachen sollten, und Frauen gestalkt, für deren Wohnungen Sie in Ihrer Funktion als Mitglied des Sicherheitsdienstes verantwortlich waren.“
„Wie ich schon sagte, das war alles ein Missverständnis. Ich habe mir ein paar Elektronikgegenstände ausgeliehen, verstehen Sie, Computer und einen Drucker, aber ich wollte sie zurückbringen.“
„Und die Stalkingvorwürfe?“
Er legte eine Hand auf sein Herz. „Ich habe auf die harte Tour gelernt, dass man als niederer Wachmann eines Wohnhauses besser keine der Bewohnerinnen um eine Verabredung bitten sollte.“
„Sie erhielten drei einstweilige Verfügungen.“
„Das meine ich mit der harten Tour.“ Er grinste sie wieder an, und sie steckte die Nase erneut in die hellbraune Aktenmappe.
„Und Sie haben etwa zehn Jahre lang auf
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