Richard Castle
seinem Loft waren. „Es ist schon fast zwei Uhr morgens. Wenn du das verschieben willst, ist das kein Problem.“
„Ich bin zu aufgedreht, um zu schlafen. Außerdem hast du mir einen deiner tollen Caipirinhas versprochen, und den will ich jetzt haben, Schreiberling.“
„Wie du willst. Dieses Cocktailrezept war es absolut wert, sich von einem internationalen Waffenhändler mit einer Kanone bedrohen zu lassen.“ Er öffnete den Kühlschrank und suchte nach frischen Limetten. Sie nahm derweil auf einem Barhocker an der Küchentheke Platz, um sich die Zauberei anzusehen.
Auch nach diesem unfassbar langen Tag kam Heats Müdigkeit nicht gegen ihre Frustration an. Als Roach aus dem Sicherheitsbüro des Altenheims in Bayside angerufen hatten, waren ihre Neuigkeiten gemischter Natur gewesen. Immerhin hatten sie das Glück gehabt, genau denselben Wachmann befragen zu können, der auch in der vergangenen Nacht Dienst gehabt hatte, als William Wade Scott dort angeblich auf den Koffer gestoßen war. Allerdings verfügte die Einrichtung im Bereich der Müllcontainer leider nicht über Überwachungskameras, was bedeutete, dass es keine Aufnahmen davon gab, wie der Obdachlose den Koffer gefunden hatte und, was noch schlimmer war, auch keine von der Person, die das Gepäckstück dort deponiert hatte. Der Wachmann erkannte das Standbild von Scott mit dem Koffer im Schlepptau und bestätigte, dass dieser zwei Stunden bevor Raleys Überwachungsfoto aufgenommen worden war mit dem Gepäckstück davongegangen war. Er sagte außerdem, dass er gesehen habe, wie Scott mit leeren Händen angekommen sei, was dessen Geschichte unterstützte, dass er den Koffer von dort mitgenommen hatte. Und um das Ganze noch enttäuschender zu machen, erkannte er die unbekannte Tote nicht. Roach hatten die Leute von der Beweissicherung angefordert, um den Bereich um den Müllcontainer herum abzusuchen – eine relativ aussichtslose Aktion, die dennoch durchgeführt werden musste –, und sich dann abgemeldet. Sie hatten Heat versichert, dass sie bei Sonnenaufgang zurückkehren würden, um die Belegschaft und die Bewohner des Altenheims wegen des Koffers, der Unbekannten und allem anderen zu befragen, was ein neunzigjähriger Schlafloser gesehen haben mochte, während er in einer langen Nacht aus dem Fenster starrte.
„Was passiert jetzt mit Willie Schuhklauer?“, fragte Rook, als sie mit ihren Cocktailgläsern anstießen.
„Du bist wirklich feinfühlig, Rook.“ Sie nippte an ihrem Cocktail. „Aber ich vergebe dir, weil dieser Caipirinha ausgezeichnet ist. Um deine Frage zu beantworten, ich habe William Scott für eine unfreiwillige psychologische Beurteilung vorgeschlagen. Auf diese Weise kann ich ihn ein paar Tage lang festhalten, außerdem ist er im Krankenhaus besser aufgehoben. Nicht dass ich erwarte, noch mehr aus ihm herauszubekommen. Ich fürchte, er scheint eher eine Lücke in der Kette zu sein und kein Glied.“
„Hey, man kann nie wissen.“
„Versuch nicht, mich für dumm zu verkaufen. Ich weiß, dass es so ist.“
Da Rook erkannte, dass sie ihre Firewall hochgefahren hatte, beschäftigte er sich mit seinem Drink, um die angespannte Stille mit etwas anderem als Anspannung zu füllen. Nach einer angemessenen Pause sagte er: „Tja,
ich
weiß jedenfalls Folgendes: Es mag eine Sackgasse sein, aber nur an einer Front.“
„Und es geht los. Bist du schon wieder im Jahr 1999?“
„Nein. Davor. Ich will mir das Leben deiner Mutter genauer ansehen.“
„Vergiss es, Rook.“
„Carter Damon sagte, deine Mutter sei eine Klavierlehrerin gewesen, richtig?“
„Sie hat Privatunterricht erteilt, ja.“
„Was qualifizierte sie dafür?“
Nikki schnaubte. „Was sie qualifizierte? Freundchen, hast du irgendeine Ahnung, wie qualifiziert sie war?“ Doch dann wurde sie von der Antwort überrascht, die er ohne mit der Wimper zu zucken gab.
„Du meinst, mit einem höheren akademischen Abschluss vom New England Conservatory of Music in Kombination mit einer Ausbildung zur Spitzensolokonzertpianistin? Diese Art von qualifiziert?“ Als sie einfach nur dasaß und ihn verblüfft anstarrte, stieß er sein Glas an ihres und fügte hinzu: „Hey, man bekommt keine zwei Pulitzerpreise, wenn man nicht gut in Recherche ist.“
„Also gut, dann hast du eben besondere Begabungen, du Klugscheißer. Worauf willst du damit hinaus?“
„Beantworte mir folgende Frage: Wie lautet Detective Heats erste Regel der Ermittlung?“ Bevor sie antworten
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