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Richard Dübell

Richard Dübell

Titel: Richard Dübell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allerheiligen
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Dass keines verlorenging? Durfte er der Ahnung und vor allem der Furcht in seinem Herzen folgen? Der Furcht davor, dass der Frau, die er liebte, ein Leid geschah?
    Hätte er nicht auf Michael Maiers Eintreffen warten und dann mit der Unterstützung seiner Kollegen vorgehen sollen, anstatt wie ein Irrer auf einem zu kleinen Damenfahrrad die lange Niedermayerstraße entlangzustrampeln, begleitet von Kommentaren diverser Autoinsassen, die an ihm vorbeifuhren und ihren sprühenden Witz zum Fenster hinausbrüllten?
    Benahm er sich gerade genauso verantwortungslos und besessen wie Harald Sander?
    Es waren alles Fragen, auf die es keine Antwort gab, und spätestens als er mit halsbrecherischer Geschwindigkeit in die Neustadt hineinflog und seine letzten Kraftreserven mobilisierte, um über das Kopfsteinpflaster in Richtung Polizeiinspektion zu rasen, interessierten ihn die Antworten auch nicht mehr. Er schlitterte mit pfeifendem Atem in die Kirchgasse hinein, knallte Julias Rad an die Hausmauer und presste den Daumen auf die Klingel.
    Erst als sich über ihm ein Fenster öffnete und dem Mann, der auf ihn hinabsah, die Kinnlade herunterklappte, merkte Peter, dass er immer noch den Helm trug. Er riss ihn sich vom Kopf. Die Miene des Mannes im Fenster wurde noch fassungsloser.
    »Ich brauche Ihre Hilfe, Monsignore«, stieß Peter atemlos hervor. »Ich muss in den Turm!«
75 .
    Stiftspropst Monsignore Sebastian Tiodoros Miene war steinern, und seine Entschlossenheit wurde auch nicht dadurch geschwächt, dass er statt seiner üblichen Kleidung eine ausgebeulte Jogginghose trug und ein grellorangefarbenes Andenken-T-Shirt mit der stilisierten Muschel des Santiago-Pilgerwegs und dem Aufdruck: »No Pain – No Glory!«
    »Ich komme mit!«, sagte der Stiftspropst. »Die Gelegenheit, einen dieser Kirchenschänder leibhaftig in die Finger zu bekommen, lass ich mir nicht entgehen!«
    »Das ist nicht einer von den üblichen Rowdys, sondern ein Verbrecher!«, rief Peter.
    »Und er ist in meinem Turm!«, beharrte Tiodoro. Er musterte Peters Aufzug und grinste. »Außerdem hat im Mittelalter die weltliche Gerichtsbarkeit der kirchlichen nichts zu sagen.«
    »Also gut, dann kommen Sie!«, lenkte Peter ein.
    Der Stiftspropst warf sich in die Brust und reichte Peter den Schlüssel zum Zugang des Martinsturms, dann eilte er vor ihm her durch den Gang seiner geräumigen Dienstwohnung.
    »Was macht Sie so sicher, dass der Mann sein Versteck im Martinsturm hat?«, fragte er.
    »Die Aussage des Schwagers eines Ornithologen im Radio«, erklärte Peter. »Sie müssen das nicht verstehen, glauben Sie’s einfach.«
    »Sonst nichts!? Wie soll er überhaupt reingekommen sein? Die Zugangstür ist ständig versperrt!«
    »Der Kerl ist außerdem einer der Söhne von Tristan Heigl.«
    »Ach, du Schande!«
    Draußen im Treppenhaus ließ der Stiftspropst Peter an sich vorbei und schloss dann die Eingangstür, steckte den Schlüssel ins Schloss und versperrte die Tür.
    »Mist, ich hab den Helm bei Ihnen vergessen«, sagte Peter.
    »Den brauchen Sie doch nicht.«
    »Sicher ist sicher.«
    Monsignore Tiodoro rollte mit den Augen, sperrte die Tür wieder auf und eilte zurück in die Wohnung. »Wo?«, rief er.
    »Irgendwo«, erwiderte Peter, schlug die Tür zu und sperrte sie von außen mit dem Schlüssel ab, den der Stiftspropst hatte stecken lassen. »Sorry!«, rief er durch die geschlossene Tür. »Es ist zu Ihrem Besten!«
    Der Stiftspropst antwortete nicht, was schlimmer war, als wenn er gotteslästerlich geflucht hätte. Peter hoffte, dass er wie jeder normale Mensch seinen Zweitschlüssel nicht auf Anhieb finden würde, und rannte die Treppen hinunter auf die Gasse hinaus. Halb erwartete er, dass der Stiftspropst das Fenster aufreißen und ihm hinterherbrüllen würde, doch auch das geschah nicht. Monsignore Tiodoro war offenbar so wütend, dass er seinen eigenen Äußerungen nicht traute und sich lieber still verhielt.
    Robert Kalp und das SOKO -Team warteten an der Stelle, an der die Krümmung des Chorbaus in den Martinsfriedhof überging. Es war noch zu früh am Abend für die Nachtschwärmer, die den lauschigen Platz unter den Ahornbäumen für ihre Zwecke nutzten; zwischen den hoch aufragenden Hausfassaden an der einen und der Westflanke der Martinskirche an der anderen Seite war das Pflaster menschenleer. Peter hatte Connor gebeten, die Münchner Kollegen anzurufen und zu diesem Treffpunkt zu schicken. Die Stelle konnte von keiner Fensteröffnung des

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