Richard Dübell
jemand sprang über die Leitplanke und schwenkte eine Taschenlampe.
Eines der Kinder hatte kehrtgemacht. In blinder Panik kam es die Straße heruntergerannt, direkt in Peter hinein. Der Aufprall hätte Peter beinahe stürzen lassen, er griff sich die kleine Gestalt, die mit den Fäusten auf ihn einzuschlagen begann und mit weit aufgerissenem Mund brüllte.
»Ich tu dir nichts!«, schrie Peter.
»Peter, sind da noch welche?«, schrie jemand auf Englisch, und verblüfft erkannte Peter, dass die dunkle Gestalt Connor Lamont war, Connor, der die drei Kinder, die er eingefangen hatte, zum Straßenrand zerrte. Wer immer die Taschenlampe schwenkte, er hatte sich die letzten beiden Kinder geschnappt und schleppte sie ebenfalls zum Straßenrand, und im flackernden Licht konnte Peter erkennen, dass es Julia war. Er fuhr herum. Die Kinder, die zuerst unten bei der Kreuzung angekommen waren, waren stehen geblieben, weil eine schlanke Gestalt, die ebenfalls eine Taschenlampe schwenkte, bei ihnen angelangt war und sie aufgehalten hatte. Es war Elena, Julias Freundin.
Das Kind in seinen Armen wehrte sich und kratzte und spuckte. Peter rannte mit neuerwachter Kraft zu der Stelle, an der Connor sich schon jenseits der Leitplanke befand und die Kinder die Böschung hinunterscheuchte. Er nahm Peter den panischen Wildfang ab.
»Sind noch welche auf der Straße?«, schrie Connor und merkte nicht, dass er immer noch englisch sprach.
»Nein«, erwiderte Peter. »Was ist passiert? Wo ist mein Vater?«
»Oben bei den Kindern geblieben, die sich beruhigen ließen.«
»Peter«, schluchzte Julia, »der Geiselnehmer … er hat alle Kinder in den Wald gejagt. Ich dachte, er bringt sie alle um … und …«
Peter hörte einen Automotor aufheulen und sah das Scheinwerferlicht, das Connors verschwitztes Gesicht plötzlich beleuchtete. Gott, wie knapp war die Rettung der Kinder gewesen! Zwanzig Sekunden später, und der Wagen wäre voll in die Gruppe hineingerast … Dann warf er sich herum, weil ihm aufging, dass nicht einmal ein geistesgestörter Fahrer sein Auto so den Berg hinunterpeitschen würde. Das Licht raste direkt auf ihn zu. Er hörte Julia schreien und fühlte, wie Connor versuchte, ihn über die Leitplanke zu ziehen. Das Auto wischte an ihm vorbei, der Luftzug zerrte an ihm.
Es war der Tank. Sein Volvo. Und niemand brauchte ihm zu sagen, wer am Steuer saß. Konstantin Heigl hatte erneut alle hereingelegt.
Aber wie hatte er in der kurzen Zeit den Wagen knacken können? Peter griff nach seiner Gürteltasche, dann fiel ihm ein, wem er den Autoschlüssel gegeben hatte.
Julia schrie: »Und er hat Mama und Papa als Geiseln genommen!«
73 .
»Und du bist sicher, dass du weißt, wohin …?«, rief Connor atemlos.
»Ja«, brüllte Peter, dann fuhr er Julia an: »Nun mach schon!«
»Das Schloss klemmt immer«, schnappte Julia zurück.
»Soll ich dir das Kettenhemd ausziehen?«, fragte Connor.
»Keine Zeit!«
»Offen«, schrie Julia und sprang auf.
»Viel Glück!«, stieß Connor hervor.
»Sag Pa Bescheid, dass ich losgefahren bin«, keuchte Peter. »Dann ruf Michael Maier an! Hast du die Nummer?«
»Hast du mir doch gerade gegeben!«
»Mit etwas Glück hat Robert Kalp ihn bereits informiert. Er soll mit den Einsatzkräften und den Notärzten hierherkommen! Hast du verstanden?«
»Und du willst wirklich …?«
»Mach Platz für Peter Bernward, den herzoglichen Ermittler!«, befahl Peter. Er schwang sich auf Julias Fahrrad, zu dem sie hochgehastet waren. »Wo ist das Licht?«
»Hat keines«, rief Julia, »das ist ein Mountainbike!«
»Wenn du auf dem Waldweg einen Unfall baust, bist du ein toter Mann«, sagte Connor. Plötzlich wurde es dunkel um Peter. Connor hatte ihm den Helm übergestülpt.
»Nimm das Ding runter!«, sagte Peter und griff nach oben. Connor schlug ihm die Hand weg, dann rückte er den Helm gerade.
»Bei der Dunkelheit siehst du so und so nichts«, sagte er. »Aber der Helm gibt dir Schutz.«
»Verflucht«, stieß Peter hervor, dann trat er in die Pedale.
Hauptkommissar Peter Bernward bretterte den dunklen Waldweg hinunter, als ob alle Dämonen seines Vorfahren hinter ihm her wären, und genau betrachtet waren sie das auch.
74 .
War er wirklich so sicher, wie er Connor gegenüber getan hatte? Wusste er tatsächlich, wohin Konstantin Heigl mit seinen Geiseln und dem Schmuck fahren würde?
Hätte er nicht besser beim Burgstall bleiben und sicherstellen sollen, dass den Kindern nichts zustieß?
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