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Richard Dübell

Richard Dübell

Titel: Richard Dübell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allerheiligen
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nicht abgeschlossen war, war kein gutes Zeichen.
    Harald machte ein paar Handbewegungen in Roberts und Peters Richtung, die nicht schwer zu deuten waren. Er und Flora würden das Haus betreten; Robert und Peter sollten sich an den rückwärtigen Ecken des Hauses so aufstellen, dass sie sowohl die Rückfront als auch die Seiten überblicken konnten, aber von der Straße aus möglichst nicht gesehen wurden.
    Sie stiegen über den Zaun. Robert warf Peter einen fragenden Blick zu und klopfte dann auf seine Pistole. »Wollen Sie sie?«, fragte er.
    Peter schüttelte den Kopf. Er stapfte durch den Schattenbereich hinter dem Haus. Der Weg war kühl, die Bäume in der Nähe der Hangkante überragten das Dach. Es roch nach Moos und dem nie ganz trockenen Laub und Humus auf einem Waldboden. Nachdem er an der gegenüberliegenden Hausecke Aufstellung genommen hatte, signalisierte er Robert, dass alles in Ordnung sei.
    Robert gab das Signal weiter. Nun würden Flora und Harald in das Haus eindringen und langsam Zimmer um Zimmer sichern. Falls jemand aus einem der Fenster an den Seiten oder der Rückseite des Hauses zu entkommen versuchte, würden Peter und Robert ihn aufhalten.
    Peter lockerte seine Arme, um die Verkrampfung zu lösen, die von seiner Nervosität verursacht wurde. Die Verkrampfung kehrte sofort zurück. Er verfluchte sich dafür, nicht gegen Haralds Anweisung aufbegehrt zu haben. Dann wäre er jetzt mit Flora im Haus und könnte sie beschützen.
    Von der Straße her waren Schritte zu vernehmen. Peter zog sich weiter hinter die Hausecke zurück und gab Robert ein Zeichen, doch der Münchner Kollege hatte die Schritte ebenfalls gehört und so reagiert wie Peter. Ein Mann mit Anzug und Sonnenbrille kam von der Kurve her in Sicht. Er blickte sich um. Peter schaute ihm hinterher, bis er vom Haus verdeckt wurde. Robert Kalp, der ihn kurz darauf zu sehen bekam, signalisierte Peter, dass der Mann in die Seitenstraße abgebogen war, in der auch der Dienstwagen stand. Wenige Augenblicke später kehrte der Mann zurück. Seine Schritte wurden diesmal von einem hohlen Scheppern begleitet. Er zerrte ein Kinderdreirad am Griff einer Haltestange hinter sich her und wirkte so wie jemand, der sich fragt, warum er immer diesen Mist erledigen und das verstreute Spielzeug der Kinder suchen gehen muss. Das Scheppern verstummte bald darauf – der Mann musste zu einem der Häuser bei der Kurve gehören.
    Als das Scheppern verhallt war, kehrte die Stille zurück. Aus dem Haus ertönte kein Geräusch. Es war so still wie die ganze Umgebung, ruhend in der mittäglichen Sommerhitze. Von der Ausfallstraße zur B 15 auf der anderen Seite des Tals drang Autolärm herüber. Im Wald zwitscherten Vögel.
    Dann hatte Peter plötzlich das Gefühl, dass er beobachtet wurde.
    Seine alten Reflexe als Polizeibeamter verhinderten, dass er herumfuhr. Stattdessen drehte er sich langsam und wie gelangweilt einmal um sich selbst. Seine Nackenhaare stellten sich auf.
    Keines der Nachbarhäuser war von hier aus einsehbar, das Anwesen schräg gegenüber weit von der Straße zurückgesetzt und hinter einer hohen Hecke verborgen. War der Beobachter hinter einem der Fenster? Aber so wie Peter an der Hausecke stand, hätte man ein Fenster öffnen und sich hinauslehnen müssen, um ihn zu sehen.
    Der Beobachter musste irgendwo hier draußen sein.
    Peter fühlte, wie seine Hände feucht wurden. Er sah zu Robert Kalp hinüber. Spürte der Kollege nichts? Es war ihm jedenfalls nichts anzumerken. Er wandte sich ab.
    Im Wald? Wenn man nicht mehr in der Sonne stand, sondern wie Peter im Schatten, löste sich die kompakte Dunkelheit unter den Bäumen auf, und man konnte Einzelheiten erkennen. Doch um noch mehr sehen zu können, hätte Peter auffällig zum Wald hinüberstarren müssen und so preisgegeben, dass er die Anwesenheit des Beobachters spürte. Er hielt sich im letzten Moment davon ab, nervös die Hände zu Fäusten zu ballen.
    Seine Kopfhaut begann zu kribbeln. Er wusste wie jeder gute Polizist, was das bedeutete. Ein drittes Auge war auf ihn gerichtet, ein schwarzes mit einem bösen, leeren Blick – die Mündung einer Waffe. Der Drang, sich auf den Boden zu werfen, wurde beinahe übermächtig. Er stellte sich vor, wie sich ein Finger auf den Abzug legte und sich langsam, langsam bis zum Druckpunkt bewegte.
    Er hörte, wie jemand »Psst!« machte.
    Robert Kalp winkte, dann kam er die paar Schritte zu Peter herüber. »Wir sollen ins Haus kommen«, raunte er.

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