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Richard Dübell

Richard Dübell

Titel: Richard Dübell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Allerheiligen
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ihm gleich nachzugehen. Er hätte sich nicht darauf verlassen dürfen, dass die chronisch unterbesetzte Landshuter Polizei genug anderes zu tun hatte!
    »Stani? Geht es Natalie gut?«
    Die Anwesenheit Harald Sanders und seines Vertreters zeigte ihm außerdem, dass die Landshuter Polizei bereits eine Verbindung zwischen Natalie und ihm hergestellt hatte. Die Verbindung war natürlich Eric, der halb in Tränen aufgelöst neben ihm saß! Wer war der Schlaumeier unter den Landshuter Bullen gewesen? Die mahagonifarbene Hexe mit der Brille? Ihr Kollege mit dem zerzausten halblangen Haar und dem Dreitagebart?
    »Stani?«
    »Halt die Klappe, Eric! Ich hab sie nicht angerührt!«
    Und noch ein Fehler: Er hätte nicht davon ausgehen dürfen, dass er Sander mit seinem Trick bei der Geiselnahme wirklich aus dem Verkehr gezogen hatte. Der SOKO -Leiter musste schlicht und einfach geleugnet haben, dass er es gewesen war, der den Juwelier erschossen hatte, und er nutzte nun die Zeit, bis die Forensik ihn überführte, dazu, die Jagd weiterzuführen. Er musste auch seinen Stellvertreter überzeugt haben, ihn zu decken. Aber hätte er, Konstantin, das erwarten können? Dass ein Vorzeigepolizist wie Harald Sander – und ein Vorzeigepolizist musste man sein, wenn man die Leitung einer SOKO anvertraut bekam – sich so gewissenlos verhielt?
    Verdammt, verdammt! Mit unangenehmer Deutlichkeit wurde Konstantin klar, dass er nicht genügend nachgedacht hatte. Nun, ab sofort war Schluss damit. Glücklicherweise hatte er schon damit angefangen, wie ein Profi vorzugehen.
    »Du hast da lauter Fusseln am Anzug«, sagte Eric kleinlaut.
    »Das kommt von dem Saustall in der Bruchbude, zu der du unser Elternhaus hast verkommen lassen!«, schnappte Konstantin.
    Eric schwieg. Konstantin manövrierte den Passat durch die unübersichtliche Straße, die im unteren Bereich des Hangs durch ein Wohngebiet führte und von den zu beiden Seiten parkenden Autos zu einem Hindernisparcours gemacht wurde. An der Kreuzung bog er nach rechts ab und rollte in den Talgrund hinunter und über den Bach in seinem Betonkorsett. Hätte er über die Schulter nach links geblickt, hätte er den dunklen Schatten des Steilhangs erkennen können, an dessen oberem Ende sein und Erics Elternhaus stand – keine zweihundert Meter Luftlinie entfernt und doch über die Straße erst nach zwei Kilometern erreichbar. Es hatte schon immer eines weiten Umwegs bedurft, um von dort oben zur Stadt hinunterzugelangen.
    Auch Fehler, die man machte, waren Umwege. Konstantins Ärger nahm zu, als er sich klarmachte, dass die Rückkehr nach Landshut auch die Rückkehr in alte Verhaltensmuster darstellte. Er hatte gedacht, darüber erhaben zu sein. Er hatte sich geirrt.
    »Natalie …«, begann Eric.
    »Natalie«, zischte Konstantin, »ist eine Nutte, und du bist ein Arschloch!« Er machte seiner Wut Luft, indem er Eric mit groben Worten erzählte, wobei er dessen Freundin heute Morgen überrascht hatte.
    Eric starrte ihn an. Er war noch blasser geworden, wenn das überhaupt möglich war, und machte lautlose Mundbewegungen wie ein Fisch. Schließlich ließ er den Kopf hängen und flüsterte kaum hörbar: »Es … es ist so schwierig zurzeit … für sie und mich …« Er warf Konstantin einen Blick zu und wandte die Augen gleich wieder ab. »Es war anders, bevor du gekommen bist.«
    Konstantin schaute in Erics Schoß, in dem dessen langfingrige Musikerhände einander umklammerten, als versuche er, etwas mit aller Kraft festzuhalten, etwas, was ihm schon lange entglitten war. Seine Hände waren leer. Er musterte seinen Bruder von der Seite und richtete seine Aufmerksamkeit auf die männlich-herben Gesichtszüge, das sportliche Aussehen, das kriegerische Tattoo. Es war nur Optik, nichts dahinter. Alles war Fassade. Eric hatte nie gelernt, seine eigene Persönlichkeit zu finden. Kochende Wut stieg in Konstantin auf, nicht zuletzt über die Schwäche seines Bruders, darüber, dass dieser nie die Kraft gefunden hatte, er selbst zu sein. Eric hatte sich stets an jemanden geklammert, und jetzt tat er es wieder.
    »Sie will einen Mann und keine Pfeife wie dich«, sagte Konstantin erbarmungslos.
    »Ich liebe sie«, wisperte Eric.
    Konstantin biss die Zähne zusammen. Wieso war Eric nie klargeworden, was er, Konstantin, verinnerlicht hatte: dass die Liebe ein Verlustgeschäft war, weil derjenige, der mehr liebte als der andere, immer der war, der gab? Und seine Schwäche und den Umstand, dass er

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