Richard Dübell
phantasielos gezeichnetes Muskelmännchen nahm den rechten Teil der Karte ein, links unten fanden sich der Name Eric Heigl, eine Adresse, eine Telefonnummer und in kursiv gesetzt der Slogan: Sie haben einen Jop – ich habe die Muckis!
Flora schaute Peter über die Schulter und deutete auf das falsch geschriebene »Jop«, das wohl »Job« heißen sollte. »Lieber Himmel«, murmelte sie.
Harald Sander, der sich erstaunlich zurückhaltend gegeben hatte, trat an Peter heran. »Und?«, fragte er.
Peter gab ihm die Karte. »Finden Sie dorthin?«, fragte er.
»Klar.« Harald wandte sich ab.
»Gut gemacht, Herr Kollege« , soufflierte Peter. Harald starrte ihn kühl an. Schließlich ließ er sich zu einem Nicken herab.
»Und meine Rechnungen?«, fragte der Nachbar.
»Oh, entschuldigen Sie«, sagte Flora. Sie nahm das Bündel an sich. »Es kann eine Weile dauern mit der Gutschrift.«
»Ja, die Schnellsten wart ihr noch nie.«
Auf dem Weg zum Auto, das sie in alter Polizeimanier in einem Seitenweg geparkt hatten, blätterte Flora die Rechnungen durch. »Meine Güte«, seufzte sie dann, »der Typ ist gar kein E. ON -Kunde. Das sind Rechnungen von den Stadtwerken.«
Harald nahm ihr das Bündel ab und stopfte es in einen Papierkorb, der an einer Straßenlaterne hing. »Fahren wir endlich und nehmen ein paar Verdächtige hoch!«, drängte er. »Die Adresse ist in Achdorf, oder?«
»Keine Sorge«, sagte Peter, »wir helfen Ihnen dabei, den Weg zu finden.«
26 .
Achdorf war ein Teil der Stadt und früher eine eigenständige Gemeinde gewesen. Den ehemaligen Weinbauort sah man dem Gelände noch an. Im frühen zwanzigsten Jahrhundert war Achdorf zur Arbeitersiedlung geworden, wovon der alte Baubestand zeugte – kleine Häuser, niedrige Häuser, Häuser mit Grundstücken, die für die Gemüseversorgung ihrer Besitzer gedacht gewesen waren.
Haralds BMW kroch an Gärten vorbei und über ein Bahngleis. »Rechts rauf«, sagte Peter, aber Harald hatte schon geblinkt.
Die Straße führte steil nach oben. Die Häuser waren hier groß, aber meistenteils alt, die Dächer steil und der Putz grau und ockerfarben. Die Adresse lag am höchsten Punkt der Straße, nach einer Linkskurve, in der noch ein einziges größeres Wohnhaus stand. Hohe Fichten grenzten dessen Garten zu einem freien Bauplatz ab; danach kam ein weiteres Wohnhaus, das an der anderen Seite wiederum von einem freien Bauplatz gesäumt wurde.
»Das muss es sein«, sagte Peter.
Harald fuhr daran vorbei und bog in die nächste Seitenstraße links ein, wo er den Wagen außer Sicht des Zielgebäudes parkte.
»Wir machen es wieder wie …«, begann Peter.
Harald schüttelte den Kopf. »Blofeld gehört mir«, sagte er finster. »Diesmal machen wir es so, wie ich es sage.«
Er löste den Sicherheitsgurt und griff mit der Hand in seine Jacke. Als sie wieder hervorkam, war eine Pistole darin. Harald überprüfte sie mit ein paar knappen Bewegungen, lud die Waffe durch, so dass eine Patrone in die Kammer gehoben wurde, dann sicherte er sie und steckte sie zurück in das Achselhalfter. Er warf Robert einen auffordernden Blick zu. Peter hatte das Gefühl, dass Haralds Stellvertreter seine eigene Pistole deutlich zögerlicher checkte. Robert trug kein Achselhalfter; stattdessen klipste er die Pistolentasche einfach an seinen Gürtel, nachdem er ausgestiegen war. Auch er hatte die Pistole vorher durchgeladen. Peters Herzschlag beschleunigte sich angesichts der Waffen. Trotz der heißen Mittagssonne war ihm auf einmal kalt.
»Was habt ihr?«, fragte Harald leise und klopfte auf die Stelle unter seiner Jacke, wo sich seine Pistole verbarg.
»Wir haben eigentlich heute frei«, sagte Flora trocken.
Harald musterte sie, dann beugte er sich an der Beifahrerseite in den Wagen und rumorte darin herum. Mit einer dritten Pistole in einem Lederhalfter kam er wieder zum Vorschein. Er hielt sie Flora und Peter hin.
»Wer von euch ist der bessere Schütze?«, fragte er.
Peters und Floras Schießkünste hielten sich die Waage; weder er noch sie verbrachten viel Zeit auf dem Schießstand, weil sie wie die meisten Polizeibeamten die Waffe für ein notwendiges Übel hielten und nicht für den Hauptbestandteil der Ausrüstung. Peter nickte zu Flora. Das Gefühl drohenden Unheils, das er schon in der Wolfgangsiedlung gespürt hatte, packte ihn erneut, und er wollte, dass Flora die Pistole hatte. Sie nahm sie nach kurzem Zögern, überprüfte sie und steckte sie in die hintere Tasche ihrer
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