Richard Dübell
Mittelalter schon Computer gab?«
»Das hier«, sagte Daniel, nachdem er eine Weile herumgetippt und den Trackball unter der Tastatur hatte hin und her rollen lassen. Ein Fenster mit den Symbolen für gespeicherte Bilddateien öffnete sich.
»Ich würde ja sagen, Pa, du gehst mit der Zeit, weil du endlich auf den Papierberg verzichtest, den du sonst mit dir rumschleppst, aber mit dem Rechner da kann man das nicht wirklich behaupten …«
Daniel öffnete die erste Bilddatei.
Peters Stimme verklang. Er hatte erwartet, die üblichen für ihn unleserlichen mittelalterlichen Urkunden vorgesetzt zu bekommen, statt wie bisher als Kopie oder als gerne mal unscharfes Farbfoto nun eben in Dateiform … Aber was Daniel eingescannt hatte, waren Zeitungsartikel. Peter beugte sich vor. Ein Name war ihm sofort ins Auge gefallen.
»Tristan Heigl?«
Daniel räusperte sich. »Du hattest recht«, sagte er und deutete vage hinter sich. »Wegen der Papierberge, meine ich. Deshalb habe ich schon vor einiger Zeit angefangen, alles zu scannen. Auf dem Rechner sind nicht groß irgendwelche Programme drauf, drum reicht der Speicherplatz.«
Peter hatte den Rechner zu sich herangezogen und weitere Dateien geöffnet. Es waren alles Artikel, die mit Tristan Heigl, seinen Theorien über den Brautschmuck und dem Selbstmord seiner Frau zu tun hatten. Er musterte seinen Vater.
»Lies schon«, sagte Daniel. Er schien sich unwohl zu fühlen.
»In der Taverne hast du noch so getan, als würdest du dich nur noch dunkel erinnern!«, rief Peter. »Dabei hast du offenbar alles gesammelt, was über die Sache in der Landshuter Zeitung stand!«
»Ich hatte sie weiter abonniert, auch in Augsburg noch«, erklärte Daniel.
»Das weiß ich«, sagte Peter. »Was ich nicht weiß, ist, warum du dich in der Taverne dumm gestellt hast. Und warum du all die Artikel ausgeschnitten hast …«
Daniel sah zu Boden.
Peter dämmerte etwas. »Du wolltest damals in ein Leserbriefgefecht mit Heigl ziehen«, sagte er. »Du wolltest genau das tun, von dem Stefan in der Kneipe sagte, dass es das Falscheste gewesen wäre, was man hätte tun können.«
»Seine Leserbriefe waren unerträglich«, sagte Daniel.
»Warum hast du dann nicht …? Wegen seiner Frau, oder?«
Daniel nickte. »Ich hatte das Gefühl, dass Heigl schon genug vom Schicksal gebeutelt war. Dass ich ihn für einen verbohrten, ewig gestrigen Narren hielt, berechtigte mich nicht, ihm Tritte zu versetzen, während er am Boden lag. Und als Gras über die Sache gewachsen war, erschien es mir nicht mehr so wichtig. Du weißt ja, wie das ist …«
Peter legte seinem Vater den Arm um die Schulter und drückte ihn an sich. »Falls ich nie gesagt haben sollte, dass ich stolz bin, dein Sohn zu sein, ist jetzt die richtige Gelegenheit dazu«, sagte er.
»Ach was«, sagte Daniel, aber seine Stimme war belegt. »Jetzt lies das Zeug schon endlich!«
47 .
Eine halbe Stunde später und nachdem er jeden Artikel nochmals gelesen hatte, schenkte Peter seinem Vater und sich einen weiteren Schluck Bowmore Darkest ein. Er nippte nachdenklich an dem Whisky, ohne seinen torfigen Geschmack wahrzunehmen.
Daniel fragte: »Woran denkst du?«
Peter drehte das Whiskyglas in der Hand. »Harald Sander ist hierhergekommen und hat uns Landshuter Polizisten erklärt, dass dies nicht unser Fall sei. Dabei ist er es seit … o Gott, seit fünfhundert Jahren! Und jetzt kommt er zurück und sucht uns heim – wie der Geist des Herzogs in Connors verdammter Aufführung.«
»Du bist der Geist in Connors Aufführung.«
Peter, der das Glas gehoben hatte, um einen weiteren Schluck zu nehmen, stockte. Er warf seinem Vater über den Glasrand einen langen Blick zu. »Ist mir schon klar«, sagte er schließlich und seufzte. Er stellte das Glas neben den Laptop auf den Tisch, ohne den Whisky auszutrinken. »Verflucht«, sagte er. »Wie bist du an all diese Unterlagen rangekommen?«
»War nicht schwer. Das sind ja keine Geheimakten. Ein bisschen Internet, ein bisschen Recherche bei historischen Vereinen, ein paar Stunden in der Staatsbibliothek und ein paar Anrufe, die mein alter Freund Georg aus dem Augsburger Archiv damals für mich bei anderen Archiven getätigt hat.«
Daniel Bernward hatte Peter nicht nur die Zeitungsartikel gezeigt, die sich nach dem Tod von Hannelore Heigl mit deren Familie und dem schillernden Witwer Tristan Heigl befasst hatten. Diese hatten Peter unter anderem die Erkenntnis gebracht, dass Tristan Heigl in
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