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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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spiraligen Bewegung über den Tisch.
    »Und haben nichts gefunden«, ahnte Job Grong.
    »Gar nichts. Keine Spur von Clara. Nicht der geringste Hinweis, daß ihr Verschwinden und dieser Ort etwas miteinander zu tun haben könnten.«
    »Und trotzdem sind Sie geblieben«, stellte Grong fest und erinnerte: »Drei Jahre.«
    »Ja, drei Jahre«, wiederholte Olander und blickte in sein leeres Glas. Während er seine Geschichte erzählt hatte, war er mehrmals von Grong bedient worden, sodaß nun auch die beiden Holyheads zu Ende konsumiert waren. Olander hatte die Grenze seines Rituals erreicht. Diesmal aber ignorierte er den Umstand. Mit einem Dackelblick sah er den Besitzer des POW! an.
    Grong verzog sein Gesicht zu einer kleinen Welle. Er hielt die Einhaltung von Grenzen für das oberste Gebot. Andererseits hatte er keine Lust, Olander zu erklären, was richtig war und was nicht. Er holte die Flasche Holyhead und goß seinem Gast ein.
    »Trinken Sie doch auch einen, bitte!« ersuchte Olander.
    Das war natürlich überhaupt das letzte, wenn Wirte mit ihren Gästen tranken. Schlimmer wäre nur noch gewesen, gebrauchte Zahnbürsten auszutauschen oder sich gemeinsam in eine Badewanne zu setzen. Doch Grong überlegte. War es noch wichtig? Die Symbiose war sowieso dahin. Der Damm gebrochen. Schade um den Damm. Andererseits kam es jetzt auf einen Schluck Holyhead auch nicht mehr an. Grong nickte, nahm ein Glas und schenkte sich ein.
    Wenigstens verzichteten die Männer darauf, sich zuzuprosten. Dafür gab es wirklich keinen Grund. Keinen Grund zu feiern. Keinen Grund, sich zu verbrüdern.
    Nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten und jeder für sich dem eigenen Blick gefolgt war, nahm Grong wieder das Gespräch auf. Er gab zu bedenken, daß vielleicht noch andere Orte existierten, die sich Hiltroff nannten. Und wenn nicht gleich eine richtiggehende Ortschaft oder Gemeinde, so handelte es sich vielleicht um den Namen eines Gutes, eines Waldstückes, eines Gebäudes, eines Lokals.
    »Richtig. Dieses Hotel hier ist das Hiltroff«, sagte Olander.
    »Ich meine ein Hotel an einem anderen Ort. Wo zwar nicht der Ort, aber eine Familie diesen Namen trägt.«
    »Gibt es nicht. Es gibt keine Leute, die so heißen, und nur diesen einen Ort hier. Ich habe das recherchiert. Ich wäre sonst auch gar nicht geblieben. Drei Jahre sind lange. Trotzdem gehe ich weiter davon aus, daß ich richtig bin.«
    »Sie glauben wirklich, Clara bei uns zu finden?«
    Olander stierte auf die Glasplatte des Tisches. Er murmelte etwas von wegen, daß er sich unwohl fühle. Ein Schluck zuviel sei immer ein Schluck zuviel.
    Da hatte er nun wirklich recht.
    »Ich bringe Sie nach oben«, sagte Grong, erhob sich im Stil einer rasch aufgehenden Blüte und half seinem Gast auf die Beine beziehungsweise auf das eine Bein, während das andere, das Eingegipste, knapp über dem Boden schwebte. Wie Felsbrocken schweben, wenn sie schweben. Sodann verlängerte Grong Olanders Arme mittels der Krücken und gab dem solcherart Eingerüsteten einen leichten Schubs.
    »Werden Sie mir helfen?« fragte Olander.
    »Ja, ich bringe Sie nach oben.«
    »Das meine ich nicht. Ich will wissen, ob Sie mir helfen, Clara zu finden.«
    »Wie kommen Sie…?«
    »Sie haben mir das Leben gerettet«, erinnerte Olander.
    »Jetzt reicht’s aber.« Grongs Stimme hatte augenblicklich die Fahrbahn gewechselt. »Wollen Sie mich dafür bestrafen, daß ich Sie aus diesem Loch gezogen habe?«
    »Nein, um Gottes willen, nein. Sie sind zu gar nichts verpflichtet. Es war nur eine Frage…«
    »Sparen Sie sich solche Fragen«, sagte Grong. Aber im Klang der Schärfe embryonalisierte bereits ein Zweifel an der eigenen Disziplin und Konsequenz.
    Die beiden Männer gelangten etappenweise ins Hotel und nach oben. Grong führte Olander in sein Zimmer, unterließ es aber, ihm auch ins Bett zu helfen. Ihm ging das alles viel zu weit: einem Gast das Leben retten, sich mit ihm an einen Tisch setzen, sich eine solche Geschichte anhören müssen, zusammen trinken … und dann auch noch die Bitte, mitzuhelfen, ein entführtes Kind zu suchen. Eine unsinnige Suche, wie Grong überzeugt war. Nie und nimmer würde das Mädchen hier auftauchen. Wo denn bitte? Hiltroff war ein überschaubarer Ort. Natürlich gab es auch in Hiltroff verschlossene Zimmer und familiäre Abgründe. Aber die Abgründe waren bekannt. Wenn sich hin und wieder ein Verbrechen ereignete, dann nie eines, das die Leute hätte überraschen können. Man gab

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