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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Olander wiederum verblieb auf seiner Bank. Er hoffte, daß die Frau irgendwann gehen würde. Was eine gute Stunde später auch tatsächlich der Fall zu sein schien. Eine weibliche Person verließ das Gebäude. Sie wankte etwas auf ihren dünnen Beinen, die auf noch viel dünneren Schuhen fußten. Währenddessen trat Albizzi auf den Balkon. Er war alleine. Die Frau drehte sich um und winkte hinauf. Albizzi hob zum Gruß seine Zigarette.
    Olander wartete noch eine halbe Stunde. Wie um seinen Gegner zur Ruhe kommen zu lassen. Ihm die Zeit zu geben, aus den Ablenkungen des Körperlichen wieder herauszufinden. Ihm Zeit zu geben, sich zu waschen. Dann ging er hinüber zum Eingang, suchte und fand den Namen des Lastwagenfahrers auf der Liste der Gegensprechanlage und drückte. Wahrscheinlich dachte Albizzi, seine Geliebte sei zurückgekehrt. Jedenfalls sprang die Türe auf, ohne daß ein Wort gefallen wäre. Olander verzichtete auf den Aufzug und stieg die breiten, bei jedem Schritt hell klingenden Stufen nach oben.
    »Sie? Was soll das?« fragte Albizzi, der in Hose und Schuhen, aber mit nacktem Oberkörper in der Wohnungstüre stand. Er hatte die Brust rasiert. Eine Brust wie ein Spiegel. Dazu die Haltung aller selbstgerechten Menschen, gleichzeitig leger und aufrecht.
    »Ich sagte Ihnen doch«, erinnerte Olander, »daß Sie mich so schnell nicht loswerden.«
    »Und ich sagte Ihnen, daß ich Sie zusammenschlage, wenn Sie nicht aufhören, mir auf die Nerven zu gehen.«
    »Ja, ich weiß. Darauf bin ich vorbereitet«, erwiderte Olander und zog eine Pistole hervor. Er hatte sie erst vor wenigen Tagen gekauft, in demselben Laden, in dem er seine Fernetvorräte bestellte. Es war die erste Waffe seines Lebens. Sie war ungeladen. Das Faktum eines gefüllten Magazins hätte Olander zu sehr verunsichert. Eine Welt der vollen Magazine war ihm einfach zu fremd. Aber eine ungeladene Waffe auf jemand richten, das schaffte er. Ganz offensichtlich.
    »Na und?« fragte Albizzi. »Wollen Sie mich denn hier im Stiegenhaus abknallen?«
    »Nicht wirklich. Lassen Sie uns hineingehen«, sagte Olander und hob den Lauf der Waffe leicht an.
    »Glauben Sie denn, Cowboy, daß mich das beeindruckt?«
    »Sie sind ein harter Bursche, keine Frage«, sprach Olander. »Aber auch harte Burschen bestehen aus Haut und Fleisch und Knochen. Das ist eins der wenigen gerechten Dinge auf dieser Welt. Selbst Präsidenten sterben durch Kugeln, nicht wenige Diktatoren, Kriegshelden, Mafiabosse. Nur Comicfiguren nicht. Sind Sie eine Comicfigur?«
    Albizzi zögerte. Klar, Olander war in solchen Dingen, in Pistolendingen, ein Anfänger. Das war deutlich zu erkennen. Aber auch Anfänger konnten abdrücken. Auch blinde Hühner konnten treffen. Und das mit dem leeren Magazin war ja nun wirklich nicht zu ahnen.
    »Von mir aus«, sagte Albizzi. »Gehen wir hinein. Trinken wir was. Ich glaube, Sie brauchen einen Schluck, damit Sie sich beruhigen, Sie armer Mann.«
    Es war eine geschmackvoll eingerichtete Wohnung. Im Stil des Memphis-Design. Mondän und poppig und auch noch gemütlich. Albizzi schenkte Whisky in zwei Gläser, hielt eines davon Olander entgegen.
    »Stellen Sie es auf den Tisch«, forderte Olander, der eine vernünftige Distanz zu wahren versuchte.
    »Sie schießen ja doch nicht«, meinte Albizzi, positionierte das Glas aber wie gewünscht.
    »Wahrscheinlich nicht«, sagte Olander. Mehr sagte er nicht. Und das war klug. Das hatte er von Andrea Pero gelernt, wie wirksam es war, weniger zu sagen, als erwartet wurde.
    Albizzi ließ sich betont unbekümmert auf einem zungenförmigen roten Sofa nieder, schlug die Beine übereinander und trank. Dann fragte er: »Wollen Sie denn stehen bleiben?«
    Olander behielt seine Stellung bei und verlangte: »Keine Ausflüchte mehr. Sagen Sie mir, wie ich Clara finden kann.«
    »Selbst wenn ich es wüßte, würde ich nicht reden. Selbst wenn ich ernsthaft fürchten müßte, daß Sie schießen. Lieber von Ihnen erschossen werden als von den anderen. Die anderen würden sich jede Menge Zeit nehmen, mir vorher weh zu tun. Sie aber, Sie werden mir nicht weh tun.«
    »Da haben Sie recht. In dieser Hinsicht bin ich stark im Nachteil«, erkannte Olander, steckte seine ungeladene Waffe wieder ein, setzte sich und griff nach dem Glas.
    Albizzis demonstrativ pomadige Haltung wich echter Erleichterung.
    Die Männer saßen sich gegenüber und schwiegen eine Weile. Olander unterbrach die Ruhe, indem er fragte, ob ihm Albizzi nicht wenigstens

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