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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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bedächtige Runde durch den Raum, betrachtete mehrere Fotos an der Wand – ließ sich also ein bißchen Zeit –, nickte sodann und verließ die Wohnung. Hinter sich die beiden irritierten Polizisten.
    Als man gemeinsam aus dem Gebäude trat, dort wo der Wagen parkte, klebte ein Zettel hinter dem Scheibenwischer. Longhis Mann wollte danach greifen.
    »Das ist für mich«, sagte Lukastik, machte einen langen Schritt und nahm das Papier an sich.
    Lukastik konnte Jugendliche nicht leiden. Aber er wußte, wie sie funktionierten. Noch am gleichen Abend saß er in einer Kneipe, jener, deren Name auf dem Zettel gestanden hatte. Ihm gegenüber der Junge mit dem Kill-the-Beast-Sweatshirt. So lief das meistens. Harten Jungs mußte man angst machen, damit sie spurten. Und angst machte man ihnen, indem man etwas unternahm, womit sie nicht rechneten. Zum Beispiel nicht zuschlagen, nicht toben, nicht mit dem Arschaufreißen und dem Halsumdrehen drohen – daran waren sie ja gewöhnt, seit Kleinkindertagen –, sondern einfach, wie Lukastik es getan hatte, das Zimmer verlassen. Das war eine überdeutliche Warnung gewesen, denn der Junge hatte ja die beiden Geldscheine bereits in seiner Hand gehalten. Und war sich rasch bewußt geworden, daß er für dieses Geld auch etwas würde tun müssen. Ja, daß er es nicht einmal zurückgeben konnte, was ihm am allerliebsten gewesen wäre. Aber Zurückgeben ging nicht. Nicht bei einem Mann wie Lukastik.
    Darum war der Junge noch vor den Polizisten nach unten gefahren und hatte den Zettel mit dem Lokalnamen und einer Uhrzeit vor die Scheibe geklemmt. Und jetzt saß er da. Und der letzte, den das überraschte, war Lukastik. Denn im Bewußtsein von Maschinen arbeitet natürlich auch das Leben wie eine Maschine. Alles ist logisch und absehbar.
    Aber so ganz hatte der junge Pero noch immer nicht kapiert. Er verkündete, für diese zwei lumpigen Scheine nicht bereit zu sein, die ganze Wahrheit zu sagen. Da müsse schon ein dritter und vierter herüberwachsen.
    »Bist du taub, Kleiner, ich sagte doch recht deutlich nein «, erklärte Lukastik. Mehr erklärte er nicht.
    Und auch diesmal handelte er richtig. Denn seiner Erfahrung gemäß war es so, daß gerade eine Erhöhung der Prämie den jungen Pero veranlaßt hätte, eine Lüge zu erzählen. Eins war nämlich klar: Die Wahrheit war exakt zwei Scheine wert. Ein dritter und vierter Schein hätte alles zunichte gemacht. (So ist das oft im Leben. Viele Leute verdienen zuviel. Die Höhe ihrer Gehälter verführt sie dazu, etwas anderes zu tun, als das, wofür man sie eigentlich bezahlt.)
    Der Junge seufzte, schob sich zwei weiße Pülverchen in den Mund und nahm einen Schluck aus einer hellgrünen Flasche. Dann begann er zu erzählen. Von dem Mann, der mehrmals gekommen war, Andrea zu besuchen. Ein schnieker Typ, der stets gestreifte Seidenhemden getragen habe, ein Ausländer. Konnte Italienisch, aber sein Akzent sei komisch gewesen. Irgendwie verbogen. Draußen habe immer ein Taxi gewartet.
    »Was für ein Taxi?« fragte Lukastik.
    »Weiß nicht. Taxi eben.«
    »Was wollte der Mann von deiner Schwester?«
    »Ich dachte, er will sie flachlegen. Ein Opa in gestreiften Hemden. Hat er aber nicht. Nicht bei uns. Die beiden haben was bequatscht. Und hin und wieder hat der Streifen-Opa Andrea mitgenommen. In dem Taxi.«
    »Hat er das Taxi selbst gefahren?«
    »Nein, da war ein Fahrer dabei.«
    »Immer der gleiche.«
    »Kann ich nicht sagen.«
    »Was hat deine Schwester dir erzählt?«
    »Daß sie weggehen wird. Wollte raus aus der Bronx. Weg von ihren Barbiepuppen. Barbie wohnt hier nicht mehr, verstehn Sie?«
    »Hat Sie von einem Ort namens Hiltroff gesprochen?«
    »Nein.«
    »Von einem Mädchen mit Namen Clara?«
    »Ja, da war was mit einer Clara. Ich hab aber nicht verstanden, von was sie überhaupt redet.«
    »Erzähl es trotzdem«, forderte Lukastik.
    »Ist ziemlich kraß. Einmal hat Andrea gesagt, sie hätte jetzt ein Kind, ein Mädchen, das Clara heißt. Was für ne Clara, hab ich gefragt. Da hat sie mich nur angelacht und in den Haaren gekrault.«
    »War Andrea je schwanger?«
    »Denken Sie, Mann, ich konnt in ihren Bauch reinschaun?«
    »Sichtbar schwanger«, präzisierte Lukastik.
    »Nein, eigentlich dacht ich immer, sie ist Jungfrau. Hat nie mit Typen rumgemacht. Das war schon irre, wie sie sich die Wichser vom Hals halten konnte. Da hat sich keiner getraut, sie auch nur blöd anzuschaun. Ich glaub, sie war ne Hexe, ne gute Hexe wahrscheinlich,

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