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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Moto-Guzzi-Leute – erzählt hatte, es schien den Mann beeindruckt beziehungsweise gewarnt zu haben. Er war zum Bahnhof gekommen, um Lukastik persönlich zu empfangen und ihm zu versichern, daß man gerne bereit sei, bei den Ermittlungen zu helfen. Nur wäre es unklug, irgendeine Unruhe in die Bevölkerung zu tragen. Adoptionen seien naturgemäß ein heikles Thema. Traumata allerorts, Sensibilitäten, Verschwiegenheitspflicht…
    Das alles wurde von einem jüngeren, schlanken Mann übersetzt, der den wuchtigen Polizeichef wie ein leichtes Segel ergänzte.
    Lukastik betonte, keineswegs vorzuhaben, irgendeine Unruhe zu verursachen, zumindest keine, die das nicht auch wirklich verdiene.
    Auf der Stirn des Polizeichefs bildete sich ein faltiges Kreuz böser Ahnungen. Was ihn aber nicht davon abhielt, mit einer einladenden Geste Lukastik den ersten Schritt zu lassen. Den ersten Schritt in eine verwinkelte Stadt.
    Es wurde rasch klar, daß sich Lukastik am richtigen Ort befand. Zwar gab es unter den Kindern, die in Frage kamen, keines mit Namen Clara. Aber es existierte eine Chiara. Chiara war die italienische Form des lateinischen Clara. Das alleine wäre es natürlich nicht gewesen, aber auch diese Chiara war vier Jahre zuvor verschwunden. Allerdings zusammen mit ihrer Mutter, ihrer Adoptivmutter. Man war damals zur Anschauung gelangt, daß die Frau ihren Mann verlassen und das Kind mit sich genommen hatte. Selbiger Mann, ein Mailänder Universitätsprofessor mit nicht geringem Einfluß, hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Frau und Tochter ausfindig zu machen. Ohne Erfolg. Die beiden waren verschollen geblieben, während der Mann, so schien es, resigniert hatte. In jeder Hinsicht. Er lebte zurückgezogen in seinem Landhaus, das am Ende einer kleinen Allee deren Abschluß bildete. Seine Professur hatte er niedergelegt. Keiner wußte, was genau er da in seinem Anwesen trieb. Ob er sich zu Tode trank oder sonstwas. Er war aber noch immer das, was man eine anerkannte Persönlichkeit nannte. Niemand, den die Polizei einfach überfiel.
    »Ich störe diesen Mann nur sehr ungern«, erklärte der Polizeichef. »Das war eine schlimme Geschichte damals mit seiner Frau. Selbst ein robuster Mensch kann bei so etwas verrückt werden.«
    »Darum möchte ich ja zu ihm«, bekräftigte Lukastik. »Um zu sehen, wie sehr ihn die Sache verrückt gemacht hat.«
    »Ich sagte nicht, er sei… Also gut, ich werde anrufen und fragen, ob er Zeit für uns hat.«
    »Sie bestimmen, wie wir vorgehen«, äußerte Lukastik und verbog eine halbe Lippe. Dann fragte er: »Wie heißt der Mann eigentlich?«
    »Kasos. Professor Kasos. Er hat griechische Vorfahren.«
    »Was für ein Professor?«
    »Alte Bücher«, übersetzte der junge, segelartige Mann die Antwort des Polizeichefs und fügte eigenständig hinzu – weil ihm wohl die Bezeichnung »alte Bücher« nicht nur ungenau, sondern auch irreführend erschien –, daß Kasos auf dem Gebiet der Hieroglyphik unterrichtet habe, vor allem aber berühmt geworden sei durch die Entwicklung einer Kunstsprache, welche von einem fiktiven, im Inneren der Welt lebenden Volk, den Windeworps stamme. Diese Sprache und Schrift gehe von der Prämisse stark verminderten Sehvermögens aus, bei gleichzeitiger Konzentration auf Hör- und Geruchssinn und einige telepathische Fähigkeiten. Zwischenzeitlich würden einige tausend Menschen auf der Welt Windeworp beherrschen und benutzen. Es existiere ein richtiggehender Kult. Manch einer würde sogar die Überzeugung vertreten, diese Rasse sei tatsächlich…
    Der Polizeichef unterbrach rüde seinen Übersetzer und ließ einen Schwall eindeutig italienischer Sätze hervor. Der junge, schlanke Mensch erstarrte, senkte seinen Kopf und biß sich in die Lippe, während der Polizeichef augenblicklich seine Mimik austauschte und Lukastik ein freundliches Lächeln schenkte. Eine kalte Platte von Lächeln.
    Es dämmerte bereits der Abend, als man die kleine Allee erreichte, die ein wenig außerhalb der Stadt lag, ein letztes flaches Stück bildend, bevor es dann steil aufwärts ging. Der See war von dieser Stelle nicht zu sehen, nur zu erahnen. Die im späten Licht lodernden Pappeln flankierten in schöner Ordnung den hellen, an vielen Stellen aufgebrochenen Betonweg. Jenseits der Bäume erstreckten sich Wiesen, während jedoch das Haus im Schutz hoher Hecken stand beziehungsweise zur Rückseite hin im Schatten des aufsteigenden Waldes. Solcherart bildete das einstöckige, trotz

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