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Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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seines massiven, rechteckigen Baukörpers sanft auf die Landschaft drückende Gebäude einen Endpunkt menschlicher Kultur. Kasos’ Point . Oder vielleicht besser Kasos’ Head , wenn man die Gelehrsamkeit dieses Mannes bedachte, der seiner raffinierten Sprachsynthesen wegen verehrt wurde. Nicht nur von Kollegen und angehenden Linguisten, auch von jenen Teilen der Subkultur, die auf Hermetik abfuhren. Junge Leute, die sich viel lieber – so theoretisch das sein mochte – mit Individuen aus dem Drago-System unterhielten, als mit den eigenen Eltern und Lehrern und Sozialarbeitern. Die Innovationen des Professor Kasos waren eine Vorbereitung auf andere Welten. Wie man eine fremde Sprache lernt, bevor man auf Urlaub geht.
    Es brannte Licht. Die drei Männer verließen den Wagen. Voran der Polizeichef, der nahe der offenen Eingangstüre stehenblieb und nach dem Professor rief. Von drinnen war eine feste Stimme zu hören, sehr viel fester, als man es von einem gebrochenen Menschen hätte erwarten dürfen.
    Der Raum, in den man mit dem Eintreten gelangte, machte praktisch die gesamte Fläche des Grundrisses aus, sodaß sich die Frage stellte, worauf eigentlich das obere Stockwerk ruhte. Nun, einerseits auf den Außenwänden natürlich, andererseits – konnte man meinen – auf den wandhohen, mit Büchern gefüllten Regalen, die den Raum nach drei Seiten hin ausstaffierten, Bücher, die kreuz und quer standen, schwere Folianten, viele alte Einbände. Türme der Bildung, die einen erschlagen konnten. So oder so.
    In einer unbeleuchteten Ecke führte eine Treppe nach oben. Auf der Rückseite, gegen die Mitte gerückt, stand ein mächtiger Schreibtisch, eher eine Schlachtbank, darauf Stöße von Papieren, wie auch am Boden. Das mittelalterliche Gelehrtenambiente wurde nur unterbrochen von einigen Flachbildschirmen und einem schwarzweiß gefleckten Sofa. Der Mann hinter dem Schreibtisch, hinter dem Bildschirm, hinter dem eigenen dichten Bart und unter dem vollen, schwarzen, jugendlich gescheitelten Haar war nur schwer zu erkennen. So eine Art Bergsteiger oder Nordpolforscher.
    Die drei Polizisten blieben in einigen Schritten Entfernung vor dem Schreibtisch stehen. Der Polizeichef, seine Hände zu einer breiten Entschuldigung anhebend, erklärte, warum man hier war. Zumindest hörte Lukastik mehrmals den Namen Chiara aus der Rede heraus, eine Rede, die er im übrigen nicht übersetzt bekam.
    Nachdem der Polizeichef geendet hatte, sagte Professor Kasos ein paar Worte. Der Übersetzer informierte Lukastik darüber, daß Kasos bereit sei, sich mit ihm zu unterhalten. Unter vier Augen.
    »Ist mir nur recht.«
    »Wir warten draußen auf Sie«, sagte der Übersetzer.
    »Nicht nötig. Ich komme schon irgendwie in die Stadt zurück.«
    »Aber…«
    »Wenn wir fertig sind«, mischte sich Kasos ein, »fahre ich Herrn Lukastik gerne in sein Hotel zurück.« Kasos hatte Deutsch gesprochen. Welches er bestens zu beherrschen schien. Natürlich tat er das. Der Mann war ein Sprachgenie. Er hätte sich mit einem Portugiesen genausogut unterhalten können wie mit einem Koreaner. Für Kasos war Deutsch eine bloße Fingerübung, bevor er begann, sich mit jemanden auf klingonisch zu unterhalten.
    Der Polizeichef war alles andere als deprimiert, Lukastik loszuwerden. Andererseits fürchtete er eine Komplikation. Er fürchtete ständig Komplikationen. Er gehörte zu den Menschen, die beim Anblick eines Küchenmessers nie an das absichtliche Durchschneiden einer Wurst, sondern immer an das unabsichtliche oder halb unabsichtliche Durchschneiden eines Fingers dachten. Er roch das Unglück, zumindest sein Potential.
    Nichtsdestotrotz gab er sein Einverständnis. Er konnte nur beten, daß alles gutging. Er betete viel. Zusammen mit dem Übersetzer verließ er das Haus.
    »Nehmen Sie bitte Platz«, sagte Kasos, der im stärkeren Licht der von der Holzdecke strahlenden Spots weniger bärtig und starkhaarig wirkte. Aber schon noch wie ein Bergsteiger. À la Messner. Im kräftigen Wind zur Blüte gereift.
    Lukastik sank in das Sofa, welches aussah wie eine gefleckte Kuh, eine gefleckte Kuh im Stil von Jackson Pollock, und nahm ein Glas Rotwein in Empfang. Ohne eigentlich gefragt worden zu sein, ob er das auch wolle. Aber er wollte es ohnedies.
    Kasos schob einen Sessel herbei, quasi den abgetrennten Kuhschädel, setzte sich und sagte: »Ein interessanter Name, Ihr Name. Woher stammt er?«
    »Eine Erfindung, nehme ich an«, antwortete Lukastik.
    »Wie meinen

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