Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz

Titel: Richard Lukastik Bd. 2 - Mariaschwarz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
aber ne Hexe.«
    »Fällt dir zu der Geschichte mit Clara noch was ein? Das ist ganz wichtig, Junge.«
    »Einmal war Andrea fix und fertig. Das war ein paar Wochen, bevor sie abgehauen ist. Sie hat geheult. Das hat sie sonst nie getan. Darum bin ich zu ihr ins Zimmer. Ich durfte das. Niemand anderer sonst. Ich schon. Bin einfach rein und hab gefragt, was los. Da hat sie gesagt, Clara ist weg. Was heißt weg, hab ich gefragt. Mir war das unheimlich, dieses Claratheater. Andrea hat gesagt, jemand hat das Kind entführt. Leute, hat sie gesagt. Was für Leute, hab ich gefragt. Verdammte Schweine, hat sie gesagt. Schweine also. Na, kein Wort hab ich verstanden. – Verstehen Sie was?«
    »Sind irgendwelche Namen gefallen?« fragte Lukastik weiter. »Ortsnamen? Familiennamen?«
    »Einen Tag später, nach dieser komischen Heulerei, hat sie gesagt, du, ich muß unbedingt nach Mandello del Lario. Ich hab sie zum Bahnhof gebracht. Drei Tage, dann war sie wieder zurück. Sie hat mir aber nicht erzählt, was dort war. Aber sie war schlecht drauf, hat man gesehen. Kein gutes Gesicht mehr. Keine Madonna mehr.«
    »Als Andrea dann von Mailand wegging, wie hat sie das begründet?«
    »Nix da begründet. Hat jedem nen Kuß gegeben und ist einfach davon. Wir dachten, ist ja nur für kurz. Und daß sie sich wenigstens meldet. Hat sich aber nicht gemeldet. Nicht ein einziges Mal. Mir war das unheimlich. War nicht ihre Art. Sie war unsere große Schwester, immer für uns da. Darum bin ich zur Polizei. Hat mich Nerven gekostet, mit den Bullen reden. Getan haben die sowieso nichts. Haben gesagt, Andrea ist ne Schlampe. Und Schlampen verschwinden hin und wieder.«
    »Wie sagtest du, wie heißt dieser Ort? Mandella…«
    »Mandello del Lario. Das ist oben beim Lago di Como. Moto Guzzi.«
    »Wie Moto Guzzi?«
    »Guzziiiii! Scheißmopeds! Die haben dort ihre Fabrik«, brüllte der Junge und zog in einem langen Schluck den Rest seines Getränks herunter. Was auch immer er zuvor eingeworfen hatte, es begann zu wirken. Man würde jetzt nicht mehr lange vernünftig mit ihm reden können. Aber Lukastik war sowieso überzeugt, alles erfahren zu haben, was der junge Pero wußte. Dessen Verwirrung bezüglich der »Mutterschaft« seiner Schwester war echt gewesen.
    »Okay, Kleiner«, sagte Lukastik, »wir sind fertig.«
    »Na, dann haun Sie doch endlich ab«, erwiderte der Junge, in dessen Augen ein kleines Feuer brannte, das ihm Tränen in die Winkel trieb.
    Nun, der kleine Pero hatte recht. Das hier war sein Ort. Und Lukastik mußte froh sein, nicht angerempelt zu werden, als er jetzt aufstand und sich zwischen den Halbwüchsigen nach draußen schlängelte.

11
    Am nächsten Morgen saß Lukastik im Zug Richtung Como, von wo er nach Mandello del Lario weiterreisen würde. Er benutzte ausnahmsweise sein Handy, um Longhi darum zu bitten, den Polizeichef der Zehntausend-Seelen-Gemeinde von seiner Ankunft zu informieren.
    »Sie hätten ruhig ein bißchen warten können«, meinte Longhi. »Ich hätte Ihnen einen meiner Leute mitgegeben.«
    »Ich bin ein Eigenbrötler«, erklärte Lukastik. Und fügte das Ersuchen an, die Polizei von Mandello del Lario möge die Daten all jener Familien der Stadt aufrufen, in denen adoptierte Kinder leben. Und sodann nachsehen, ob eins dieser Kinder den Vornamen Clara trage.
    »Was soll das, Herr Lukastik?« ärgerte sich Longhi. »Fangen Sie jetzt auch noch damit an?«
    »Ja, ich fange auch damit an«, antwortete Lukastik trocken. Supertrocken. Das konnte er wirklich.
    »Sie wissen hoffentlich«, erinnerte Longhi, »daß selbst in Italien ein Datenschutz existiert.«
    »Ich will ja nicht«, erklärte Lukastik, »daß Sie die Telefongespräche der Gemeindeoberen abhören. Es geht mir bloß um ein adoptiertes Kind. Ich folge einer Spur, die vielleicht etwas wert ist, vielleicht auch nicht.«
    »Ich werde sehen, was ich für Sie tun kann. Aber vergessen Sie bitte nicht, daß Sie ein Ausländer sind.«
    »Selbstverständlich nicht«, gab Lukastik zur Antwort. Er sah aus dem Zugfenster und schlürfte Kaffee. Den dicken Roman hatte er in den Müll geworfen. Ein wenig sehnte er sich nach seiner alten Liebe, den handlichen hundertvier Seiten des Tractatus.
    Auch Maschinen haben Gefühle.
    Was auch immer Longhi dem Polizeichef dieser Stadt – welche geradezu verschlüsselt, ja unentschlüsselbar zwischen einem ziemlich tiefen See und einem Gebirgsmassiv namens Grigna lag, ehemals langobardisch, jetzt in der Hand der

Weitere Kostenlose Bücher