Richard Wagner - Werk, Leben, Zeit
Karlsruhe – wo er mit dem Großherzog die Möglichkeit der Uraufführung des Tristan erörtert – nach Wien. Im Mai sieht er in der Hofoper zum ersten Mal seinen Lohengrin auf der Bühne – in einer stürmisch gefeierten Aufführung, für die er sich in einer Rede aus seiner Loge bedankt. Es kommt zur Vereinbarung mit der Hofoper über die Uraufführung des Tristan nunmehr in Wien. Im August beginnt Wagner mit den Proben. Durch dauernde Intrigen und Indispositionen der Sänger verzögert sich das Unternehmen jedoch immer wieder und wird schließlich im März 1864 ganz aufgegeben: das Werk gilt als unaufführbar.
Ende Oktober schlägt Wagner seinem Verleger Franz Schott als neues Opernprojekt Die Meistersinger von Nürnberg vor, da er ho ff t, durch Vorschüsse seine äußerst prekäre fi nanzielle Lage aufzubessern. Die Arbeit an den Meistersingern füllt Wagner trotz verschiedener Reisen und einem nochmaligen Paris-Aufenthalt um die Jahreswende 1861/62 in den nächsten Monaten ganz aus. Im Februar lässt er sich in Biebrich bei Wiesbaden nieder. Nach der Trennung von Minna verliebt Wagner sich in die Alzeyer Notarstochter Mathilde Maier, die er im Verlagshaus Schott kennenlernt. Sie weist seine Annäherungsversuche zwar diskret zurück, bleibt aber eine seiner treuesten Freundinnen, wie ihre ausführliche Korrespondenz belegt. Im Juli 1862 besuchen Hans und Cosima von Bülow Wagner in Biebrich. Von Bülow begleitet, studiert Wagner zwei Wochen lang mit dem Sänger-Ehepaar Ludwig und Malwine Schnorr von Carolsfeld die Titelpartien von Tristan und Isolde ein, die sie tatsächlich 1865 bei der Münchner Uraufführung singen werden. Durch die Tristan -Proben gerät freilich die Arbeit an den Meistersingern in Verzug, so dass Schott die Zahlungen einstellt. Nur ein Bankier oder Fürst, der über Millionen verfüge, könne Wagners Finanzbedarf auf Dauer befriedigen, teilt der Verleger ihm mit. Zu allem Über fl uss wird Wagner seine Wohnung in Biebrich gekündigt, er muss sich in Gaststätten und bei Freunden durchschlagen und be fi ndet sich, wie er seinem Verleger verzweifelt bekennt, »in der Lage eines Ertrinkenden« (SB XIV, 302).
Ende 1862 kehrt Wagner zur Wiederaufnahme der Tristan- Proben nach Wien zurück. Um die Jahreswende 1862/63 fi nden mehrere Konzerte mit Ausschnitten aus eigenen Werken in Wien statt, das erste in Anwesenheit von Kaiserin Elisabeth von Österreich. Doch trotz des großen Erfolgs enden auch sie mit einem De fi zit. Mehr materiellen Erfolg verspricht eine Tournee nach Russland mit Konzerten in Petersburg und Moskau im März und April 1863. Doch als Wagner Ende April nach Wien zurückkehrt und ein Haus in Penzing mietet, frisst die wiederum üppige Ausstattung den Reingewinn der Russland-Tournee fast vollständig auf. Zu Mariechen, der Tochter eines Metzgermeisters, entwickelt sich eine handfeste erotische Beziehung, die sich in anzüglichen Briefchen Wagners ausdrückt. Doch an seinem Liebeshorizont zeichnet sich gleichzeitig schon die Beziehung zu Cosima von Bülow ab. Bei einem Besuch im Hause Bülow in Berlin kommt es nach Wagners Bericht in Mein Leben am Nachmittag des 28. November 1863 bei einer Kutschfahrt mit Cosima »unter Tränen und Schluchzen« zum »Bekenntnis, uns einzig gegenseitig anzugehören« (ML 746).
Im März 1864 ereignet sich die Katastrophe: die Tristan- Proben in Wien werden endgültig abgesetzt. Damit ist Wagner nicht mehr kreditwürdig. Ein Wechsel nach dem anderen geht zu Protest. Wegen der drohenden Schuldhaft fl ieht Wagner aus Penzing und hält sich – nachdem er vergeblich bei Wesendoncks um Quartier gebeten hat – vier Wochen lang im Hause von Eliza Wille in Mariafeld am Züricher See auf. Zuvor hat er auf der Durchreise am Karfreitag in einem Schaufenster trotz seiner verzweifelten Lage gerührt das Bild des achtzehnjährigen Königs Ludwig II. (1845–1886) betrachtet, der im selben Monat den Thron der Wittelsbacher bestiegen hatte. Am 8. April schreibt Wagner aus Mariafeld an den befreundeten Komponisten Peter Cornelius: »Mein Zustand ist sehr unheimlich; er schwankt auf einer schmalen Zunge: ein einziger Stoss, und es hat ein Ende, so dass nichts mehr aus mir herauszubringen ist, nichts, nichts mehr! – Ein Licht muss sich zeigen: Ein Mensch muß mir erstehen, der jetzt energisch hilft […]. Wahrlich, ich fühl’s, es geht tief innerlich mit mir zu Ende. Wie gesagt: Ein gutes , wahrhaft hilfreiches Wunder muss mir jetzt begegnen; sonst ist’s
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