Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Richter

Richter

Titel: Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Ciancarlo de u Lucarelli Andrea u Cataldo Cammilleri
Vom Netzwerk:
der er ans Meer hatte denken müssen, und da hatte er unversehens Lust auf Fritto Misto bekommen. So las er jetzt Distretto 56 , eine Geschichte mit Larry Mannino, träumte dabei aber davon, in Riccione zu sein, mit seiner Frau, und frittierten Tintenfisch und Garnelen zu essen, im Hintergrund Musik von Pino Daniele.
    Je so’ pazzo! Ah! Je so’ pazzo!
    »Ferro!«
    Er faltete das Heft zusammen, der Länge nach, und steckte es sich in die Hintertasche der Hose, unter derJacke, direkt neben das Pistolenhalfter. Er löste sich von dem Wagen, an den er gelehnt stand, und schaute Grisenti an, denn der kam nicht allein auf ihn zu, sondern zusammen mit einem jüngeren Beamten, dessen Name ihm gerade nicht einfiel.
    »Die haben uns umbesetzt.«
    »Holen wir nicht den Richter ab?«
    »Das mach ich mit Mazzuca. Für dich haben sie was anderes.«
    »Das ist total unprofessionell. Wie lange begleiten wir schon den Richter? Drei Monate? Wir sind an Cancedda gewöhnt, der da« – er zeigte auf den jüngeren Beamten – »muss alles von vorn lernen. Total unprofessionell.«
    Mazzuca trat einen Schritt nach hinten, mit ausgebreiteten Armen, als wollte er mehr oder weniger sagen, er könne nichts dafür.
    »Und wo schicken sie mich hin?«
    »Du bleibst bei den Begleitern für den Richter. Du übernimmst die Bambina.«
    »Mit wem?«
    »Mit niemandem. Ist nur Begleitung. Die Bambina braucht ja keinen echten Personenschutz.«
    »Stimmt.«
    Grisenti sagte nichts weiter. Er öffnete die Tür und zwang ihn damit, vom Wagen wegzutreten, dann setzte er sich hinters Lenkrad. Mazzuca breitete noch einmal die Arme aus und stieg ebenfalls ein.
    Sie ließen ihn mitten auf dem Parkplatz vor dem Polizeipräsidium von Bologna stehen, allein mit dem Gedanken: Sieh mal einer an, jetzt darf einer wie er, IvanoFerrucci, genannt Ferro, nach siebenunddreißig Dienstjahren bei der Polizei den Chauffeur und Taschenträger für eine Ermittlungsrichterin spielen, die so kurz dabei und so jung ist, dass alle sie nur die Bambina nennen.
    Und während er das dachte, erklang irgendwo in seinem Kopf stumm die Stimme von Pino Daniele.
    Je so’ pazzo! Ah! Je so’ pazzo!
    Während Ferro sechsundfünfzig Jahre alt war, aber älter wirkte, konnte man der Bambina ihre dreißig nicht ansehen. Er wusste, wie alt sie war, denn sie hatte es ihm verraten, kaum, dass sie eingestiegen war – »Sie dürfen mir Glück wünschen, heute habe ich Geburtstag, Jahrgang ’50, ab jetzt gehöre ich zu den Alten« –, und er hatte das schnell nachgerechnet; es war der 1. Juli 1980. Sie hätte seine Tochter sein können, übrigens hatte Ferro tatsächlich eine Tochter von dreißig Jahren, das zweite seiner drei Kinder. Und in Wahrheit nervte es ihn gewaltig, in dem Ritmo zu sitzen, einem Zivilfahrzeug der Questura, und hinten drin dieses Mädchen beim Zeitunglesen. Wie ein Chauffeur, der die Kleine vom Chef zur Uni bringt.
    Er sah sie im Rückspiegel an, sie hatte die Lippen mit versunkenem Ausdruck angespannt und etwas vorgeschoben, eine kleine Konzentrationsfalte zwischen den Brauen, ein halbes Dutzend Sommersprossen um die Nase, die Haut von der ersten Julisonne gerötet. Ferro hatte einen steifen Knöchel, er litt unter Rheuma und Bluthochdruck, aber seine Augen waren noch so gut wie eh und je; instinktiv pflegte er auf Details zu achten.Flache Schuhe, Rock, weiße Bluse, schwarzer Pulli und über der Schulter die Jeansjacke, all das hatte er sofort registriert, als er sie bei ihr zu Hause abholte und sie sich ihm mit »Lorenzini, angenehm« vorstellte. Schulterlanges Haar, am Hinterkopf mit einem Elfenbeinkamm zusammengesteckt. Hübsch, klein, niedlich.
    Ermittlungsrichterin am Gericht von Bologna, ihre erste Stelle.
    Die Bambina.
    »Würde Sie Musik stören?«
    Die Bambina lehnte sich zwischen den Vordersitzen vor, Duft von Camay-Seife und Apfelshampoo, auch seine Tochter benutzte beides. Sie drückte auf den Einschaltknopf des Autoradios, reckte sich dann noch weiter vor, um die Knöpfe für die voreingestellten Kanäle zu erreichen. Gedämpft ertönte Pino Danieles Stimme aus dem Lautsprecher im Armaturenbrett.
    Ich bin verrückt, ich bin verrückt, das Volk erwartet mich, verzeiht, ich muss mich beeilen ...
    »Moment, Dottoressa ... Könnten Sie das anlassen?«
    Die Bambina lehnte sich zurück auf ihren Sitz.
    »Sie mögen Pino Daniele?«
    »Nein, aber ich hab das schon den ganzen Vormittag als Ohrwurm ... wenn ich es jetzt höre, geht es vielleicht vorbei.«
    Und diesmal

Weitere Kostenlose Bücher