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Richter

Richter

Titel: Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Ciancarlo de u Lucarelli Andrea u Cataldo Cammilleri
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zurück war vonder Reise, die sie ihm zum Abitur geschenkt hatten, trug er nur noch Schwarz und einen absurden Haarschnitt, hinten kurz und vorn überm Gesicht, Idiotenhaare und Faschistenklamotten, sagte Ferro, und Lorenzo antwortete genervt, nein, mit Politik habe das überhaupt nichts zu tun. Wenigstens das, wenigstens war er kein Rechtsoder Linksextremist. Was Drogen anging, war Ferro sich da nicht so sicher, und wenn Lorenzo aus dem Haus war, durchsuchte er sein Zimmer sorgfältig und unauffällig, fand aber nie etwas.
    Er ging aus der Küche, ohne auf seine Frau zu hören, die sagte: »Ach komm, lass ihn doch in Ruhe«, aber resigniert, tonlos. Zwei Schritte durch den Flur, und er stand vor Lorenzos Tür, die geschlossen war. Er fasste die Klinke an, hielt inne, da er durch das Sperrholz ein bekanntes Wummern hörte. Dann machte er auf.
    I hear her voice, calling my name ...
    Lorenzo lag lang auf dem Bett, die Hände im ausrasierten Nacken gefaltet, und starrte an die Decke. Er senkte den Blick zu seinem Vater und nahm eine Verteidigungshaltung ein, bereit zur Auseinandersetzung. Ferro hingegen blickte zu der Platte, die sich glänzend auf dem Sony-Player drehte, einem Geschenk von Lorenzos Schwestern, ebenfalls zum Abitur.
    »Sind das die Cure?«
    Lorenzo erstarrte noch mehr, als hätte er ihn geschlagen. Sein Vater hatte gesagt »die Kjua«, mit kurzem »u« und einem »a« statt des englischen »r«, aber er hatte recht, sie waren es, seine Lieblingsband.
    »Ja!« Lorenzo setzte sich auf. »Woher ...«
    »Komm essen, mach schon.«
    Bei Tisch fragte Lorenzo es ihn noch einmal, »Woher kennst du denn die Cure?«, und da erzählte Ferro ihm von der Bambina, unter den erstaunten Blicken seiner Frau – geredet hatten diese beiden schon lange nicht mehr miteinander –, und dann ließ sie auch noch die Steaks anbrennen, als sie bemerkte, dass die bewundernden Blicke Lorenzos für diese Richterin, die seine Musik hörte, zum Teil auch seinem Vater galten, dem Polizisten.
    Nach dem Essen ging Ferro hinaus. Er nahm den Wagen und fuhr ins Ospedale Maggiore, das er durch die Notaufnahme betrat, indem er seine Plakette zeigte, dann fuhr er zur Intensivstation hoch. Die Tür war geschlossen, doch gerade kam eine Schwester, die ihn mit einließ, schließlich war er Polizist.
    Am Ende des Flurs saß Lo Iacono auf einem Metallstuhl, breitbeinig wie auf dem Klo, und ließ seine Mütze am Zeigefinger kreisen. Er erkannte ihn sofort.
    »Unten ist jemand von der Polizei, der Sie sprechen will«, sagte die Schwester zu Lo Iacono. Der sah Ferro an.
    »Kein Problem, ich bin ja da.«
    Er wartete, bis beide draußen waren, sein Kollege und die Schwester, denn sie sollten nicht mitbekommen, wie er tief durchatmete, um sich zu wappnen. Krankenhäuser hatten ihm immer Angst gemacht. Der Geruch, dieser Geruch von Alkohol und Medikamenten sorgte dafür, dass er sich schwach fühlte, mit ganz wackligen Knien.
    Als er die Tür öffnete und den Kopf ins Zimmerstreckte, konnte er die Bambina erst kaum sehen. Da war das Bett, da war ein Infusionsschlauch, der zwischen den Betttüchern verschwand, und da war auch sie selbst, doch wirkte sie derart klein und schmächtig, weiß wie das Kissen, ihre Beine verschmolzen mit den Falten der Decke, und Ferro entschlüpfte ein solcher Seufzer voller Unbehagen und Rührung, dass es ihn in der Kehle kratzte. Ihre Augen waren geschlossen, zwischen ihren Lippen ging ein leichter, regelmäßiger Atem im Rhythmus des Schnurrens noch einer Maschine auf der anderen Seite des Betts, mit der sie weitere Schläuche verbanden.
    Ferro biss die Zähne zusammen, die Tränen schossen ihm in die Augen. Er trat ans Fenster und blickte hinaus, versuchte nachzudenken. Wenn sie so regelmäßig atmete und die Maschine keine anderen Geräusche machte, dann bedeutete das doch, dass es ihr gutging, und wenn die Schwester mit Lo Iacono zurückkam, dann wollte er fragen: »Es ist alles in Ordnung, oder?«
    Die Intensivstation befand sich in einem höher gelegenen Stockwerk, von dem aus die Straße gut zu überblicken war. Ferro schaute hinaus, ohne bewusst etwas zu sehen, in Gedanken versunken, trotzdem nahm er wahr, wie Lo Iacono unten mit jemandem in einem schwarzen Wagen sprach, ins Fenster gebeugt. Dann richtete Lo Iacono sich auf, legte die Hand grüßend an den Mützenschirm und ging in Richtung Parkplatz davon, und obwohl Ferro damit beschäftigt war, diesen Knoten zu vergessen, den er immer noch im Hals spürte, fiel es

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