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Richter

Richter

Titel: Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Ciancarlo de u Lucarelli Andrea u Cataldo Cammilleri
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hergebracht.«
    Valentina schloss die Augen und atmete tief ein. Sie klammerte sich am Rand der Pritsche fest und setzte sich wieder auf, da sie im Liegen schlecht nachdenken konnte. Jetzt war ihr nicht mehr gar so schwindlig, und sie brauchte sich nur kurz an Sannas Schulter anzulehnen, um das Gleichgewicht wiederzuerlangen.
    Ferros Name half ihr, alles zu rekonstruieren; alles bis zu dem Moment, wo sie sich im Wagen nach ihrer Tasche umdrehte, stand ihr jetzt wieder nacheinander vor Augen.
    »Wie lange bin ich schon hier?«
    »Drei Tage. Und vorher waren Sie drei Tage im Krankenhaus, im richtigen. Mehr oder weniger im Koma die ganze Zeit, erst seit zwei Tagen nur sediert. Von mir.«
    »Und wie geht es mir?«
    »Besser.«
    »Und Ferro hat mich hergebracht? Brigadiere Ferrucci?«
    »Ja, Ferro.«
    »Und wo ist er?«
    »Er ist tot.«
    Valentina senkte den Blick. Sie streckte ihren einen nackten Fuß gen Boden, konnte ihn aber nicht erreichen. Dann legte sie beide Füße zusammen, eng wie Hände. Das Bild wurde jetzt schon klarer. Es blieb zwarimmer noch konfus, hypothetisch, an Indizien gekoppelt, doch bekamen die Dinge allmählich eine Richtung. Die ihr nicht gefiel. Sie musste noch viel mehr erfahren. Wie war Ferro gestorben? Und warum? Was war da draußen los? Doch zuerst musste sie noch etwas anderes fragen. Es betraf diesen schmächtigen, nervösen Mann in seinem weißen Zahnarztkittel.
    »Warum haben Sie mich hierbehalten? Sie hätten mich vor einem Krankenhaus oder anderswo ablegen und die Carabinieri rufen können.«
    Sanna richtete sich auf.
    »Hippokratischer Eid«, sagte er, und Valentina wusste nicht, ob das jetzt endlich ein Scherz sein sollte, denn Sanna verzog die Lippen sekundenkurz so, dass man nicht recht sagen konnte, ob das jetzt ein Lächeln war oder nicht.
    Mond, was soll ich sagen, ich kann keine schönen Reden halten, ich kann dir nur eine Blume schenken und dann mit dir tanzen gehen, du wirst sehen, dann sind wir etwas glücklich und vielleicht viel mehr als nur Freunde, Mond!
    Eine der Fragen, die Valentina Sanna stellen wollte, galt diesem Song. Warum kam es ihr vor, als hätte sie ihn schon etliche Male gehört? Dann kam sie von selbst darauf, als Sanna das Radio abstellte, das ihr erheblich dabei geholfen hatte, aus dem Koma aufzutauchen. Das musste der Schlager des Sommers sein, und in der Tat gingen ihr ein paar Takte hartnäckig im Kopf herum, bruchstückhaft und lästig – Luna von Gianni Togni!
    Sanna hatte ihr eine Zeitung besorgt, aber sie konnte noch nicht wieder lesen, also las er ihr vor. Der mit derSache betraute Untersuchungsrichter äußerte die Hypothese, Brigadiere Ferrucci sei durchgedreht, weil er sie nicht hatte beschützen können, und so habe er sie entführt und irgendwo versteckt. Dann habe er ein schlechtes Gewissen bekommen, seine Kollegen kontaktiert, sei aber so aufgewühlt gewesen, dass er die Straße achtlos überquerte und dem Lieferwagen vor den Kühler rannte. Der Name des Richters war auch angeführt, Valentina kannte ihn und hatte ihn immer für einen Idioten gehalten.
    Das Attentat auf sie hatte man zunächst für einen terroristischen Akt gehalten oder jedenfalls im Zusammenhang mit ihren Ermittlungen gesehen, doch da sie sich lediglich mit einem banalen Konkurs beschäftige, habe man die Annahme fallenlassen. Valentina runzelte die Stirn, als sie hören musste, dass ihr Hauptverdächtiger, der Inhaber der Firma, sofort nach dem Verhör verschwunden war und sich jetzt, so vermutete man, auf Barbados ein schönes Leben machte.
    Dann erfuhr sie, die Ermittlungen richteten sich jetzt auf ihr Privatleben. In Turin wurde ihr Freund verhört, und man warte auf das Ergebnis der ballistischen Untersuchung einer in seiner Wohnung aufgefundenen Pistole.
    »Roberto? Absurd«, sagte sie.
    Sanna zog die Lippen auseinander, und diesmal war klar, dass es ein Lächeln sein sollte. Er amüsierte sich darüber, dass sie immer noch so stark sediert war und das, was ihr widerfuhr, mit olympischer Gelassenheit hinnahm. Man hatte versucht, sie zu erschießen, manhatte ihren Leibwächter umgebracht und ihren Freund verhaftet, und sie sagte nur einfach absurd , im Pyjama auf seinem Sessel sitzend, als wäre sie gerade aufgestanden und läse eine Filmkritik.
    Auch er selbst war ruhig, aber nur, weil er gelernt hatte, es zu sein. Sonst hätte er längst jemanden umgebracht. Schon auf der Universität musste er erleben, wie die Muttersöhnchen ihn überholten, erst bei den Examen,

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