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Richter

Richter

Titel: Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Ciancarlo de u Lucarelli Andrea u Cataldo Cammilleri
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dann bei den Bewerbungsverfahren, und schließlich in Cagliari im Krankenhaus, bis sie ihn dann dabei ertappten, dass er in den Bergen einen Flüchtling behandelte, den Freund eines Freundes, weil er einfach nicht Nein sagen konnte und es auch nicht wollte. Als illegal Praktizierender, dann als Arzt in Diensten des organisierten Verbrechens war es nicht ganz leicht, eine entspannte, zufriedene Sicht der Dinge zu wahren, im Einklang mit der Welt und der Gesellschaft. Und wer weiß, vielleicht war er einfach von Natur aus aufbrausend und zornig.
    Zuletzt las Sanna ihr vor, dass sie überall gesucht wurde.
    »Ich muss die Polizei anrufen oder die Carabinieri, irgendwen ...«
    »Das würde ich mir gut überlegen ...«
    »Ich zeige Sie nicht an, keine Sorge. Ich müsste es tun, aber ich weiß ja nicht einmal, wo ich bin. Und Ihren Namen kenne ich auch nicht.«
    »Es geht mir nicht um mich, es geht mir um Sie. Ferro hat mir nicht viel erzählt, nur, dass es da Carabinieri gab, die gar keine Carabinieri waren. Leute, die die Wacheabziehen konnten, die sich ganz gelassen bewegten ... Kurz, ich weiß nicht, ob Sie Ihren Leuten vertrauen können.«
    »Ich muss vertrauen können. Ich bin Richterin.«
    Sanna breitete schulterzuckend die Arme aus. Valentina schloss die Augen und schmiegte ihren Nacken ins Polster des Sessels. Zwar war ihr Kopf immer noch ganz benebelt, aber es gelang ihr trotzdem, klar zu denken. Carabinieri, die gar keine Carabinieri waren, das bedeutete dasselbe wie Polizisten, die keine Polizisten waren, nämlich Geheimdienst. Und manchmal auch abseits der Legalität.
    »Manchmal?«, fragte Sanna, und daran erkannte Valentina, dass sie laut nachgedacht hatte.
    »Manchmal«, bestätigte sie. »Das Bild wird immer klarer. Vor dem Attentat sind ein paar Dinge passiert ...«
    »Ich will nichts davon wissen.«
    »Ich war an einem Fall von betrügerischem Konkurs ...«
    »Ich will nichts davon wissen.«
    »Und wie sich herausstellte, stand einem der Buchhalter eine gewisse Gesellschaft zu Diensten ...«
    »Ich will nichts davon wissen!«
    Er hatte nicht geschrien, er schrie nie, er hatte geknurrt. Mit geballten Fäusten. Kurz dachte Valentina, er würde sie schlagen, doch dann steckte er die Hände in die Taschen seines Kittels, so tief, dass er sie ausbeulte.
    »Ich habe Hunger«, sagte Valentina.
    »Das glaube ich, Sie hängen seit einer Woche am Tropf.«
    »Kann ich essen?«
    »Sie können vieles. So schlecht, wie es scheint, geht es Ihnen gar nicht. Sie können auch gehen. Ich kann Sie zu einer Telefonzelle bringen, dann können Sie ...«
    »Nein. Ich bin Beamtin, ich bin Richterin, und es gibt zweierlei, was ich tun muss. Das eine ist vertrauen. Sie leben illegal, ich nicht, ich bin Teil des Systems, das ich verteidige und gesund erhalten muss.«
    Wer hatte das gesagt? Ihr Professor an der Uni?
    »Dann vertrauen Sie mal. Rufen Sie die 113.«
    »Nein. Ich vertraue, aber nicht blindlings. Wenn ein Richter zu viel weiß, aber noch nichts in der Hand hat, dann kommt es vor, dass sie ihn abknallen. Das passiert ständig, nicht nur mir. Wenn die Dinge so liegen, wie ich annehme, dann werde ich wohl nicht genug beschützt.«
    »Und das Zweite?«
    »Wie?«
    »Sie haben gesagt, Sie müssen zweierlei tun. Das Erste ist vertrauen, das Zweite?«
    »Weitermachen. Ich kann nicht so tun, als ob nichts wäre, und einfach aufhören. War der Brigadiere Ihr Freund?«
    »Ferro? Nein.«
    Das stimmte gewissermaßen. Ferro war korrekt und loyal, ein guter Mann, sympathisch genug, dass er sich hatte vorstellen können, sich mit ihm anzufreunden, unter anderen Umständen. Aber Leute wie er konnten nicht mit Bullen befreundet sein.
    »Ich habe ihn nur zweimal gesehen«, sagte Valentina, »für ein paar Minuten im Wagen. Aber mir passt es nicht,dass sie ihn einfach so umbringen. Denn sie haben ihn umgebracht, oder? Das wissen wir doch?«
    Sanna schluckte und ballte die Fäuste in den Taschen. Ihm passte das auch nicht.
    »Ferro allein, das würde schon genügen, aber da ist nicht nur er. Gestern Abend ... Nein, vor einer Woche habe ich mich gefragt, warum ich diesen Job mache, und jetzt habe ich es verstanden. Ich ermittle ja wegen ... Nein, lassen Sie mich ausreden« – Sanna hatte eine Hand erhoben, aber Valentina beugte sich vor, an die Armlehnen des Sessels geklammert, – »danach vergessen Sie es wieder, wenn Sie wollen, aber erst lassen Sie mich reden. Wegen eines betrügerischen Konkurses, ein Buchhalter schafft mittels eines

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