Richter
streberhafter Staatsangestellter uns auf die Schliche kommt. In Klammern gesagt, ich habe immergefunden, wir sollten die Gelddinge besser tarnen als den Rest. Wenn ein Mordfall verfolgt wird, findet man am Ende meistens einen Mörder. Bei Gelddingen weiß man nie, wohin das möglicherweise führt.«
»Klammer zu. Und dann? Wir waren gerade bei dem Routinefall, dass ein streberhafter Staatsangestellter eine Firma aufdeckt, die schwarze Kassen unterhält.«
»Genau. Dann wird das schwächste Glied in der Kette ausgetauscht ... In diesem Fall mittels einer Verlegung ins Ausland, weil man ihn vielleicht später noch nutzen kann ... Dann wird der Beamte unter einem plausiblen Vorwand durch einen der Unsrigen ersetzt, der die Sache übernimmt.«
Allegretti hatte sich auf die Lippe gebissen, daran erinnerte Valentina sich genau. Im Geiste hatte sie sofort »korrupt« zu »Idiot« hinzugefügt, als sie an ihren Kollegen dachte.
»Und worin besteht jetzt der Ärger genau? Darin, dass es euch nicht gelungen ist, mich umzubringen?«
»Nein ... Das heißt, ja, schon, aber das lässt sich ja immer noch beheben, Sie verzeihen, Dottoressa. Nein, der Ärger ist, dass Sie verschwunden sind. Alle zermartern sich das Hirn, bei wem Sie wohl stecken, wer Sie einkassiert hat, für wen dieser Polizist arbeitete, denn niemand nimmt im Ernst an, dass er Sie einfach so entführt hat, es sei denn, er war wirklich verrückt. Also wird er einen Grund gehabt haben, oder? Dottoressa, Sie haben mich in der Hand, ich kann nichts Böses tun, aber Sie werden doch verstehen, dass ich neugierig bin? Darum mache ich diesen Job ja auch eigentlich ...Sagen Sie mir, für wen dieser Bulle da gearbeitet hat? Und wer sind diese Leute hier? Auf wessen Seite stehen Sie?«
»In diesem Krieg, meinen Sie?«
»Krieg? Was für einem Krieg?«
»Du hast von Krieg gesprochen, als wir dir im Scheißhaus den Kopf unter Wasser gedrückt hatten«, zischte Sanna mit zusammengekniffenen Lippen unter seinem schnurgeraden Schnauzbart. Man konnte deutlich erkennen, dass er immer wütender wurde.
»Ach, Sie wissen doch, wie es so geht, Dottoressa, die Leute, die hinter so was stehen, sind untereinander auch nicht immer ein Herz und eine Seele. Vor allem, wenn die Alten den Neuen keinen Platz machen wollen, und wir befinden uns mehr oder weniger in so einer Übergangsperiode, unsere Leute halten teils zu den Alten, teils zu den Neuen. Eine unschöne Zeit. Sie wissen doch, was man macht, wenn alles anders werden muss, damit es bleibt, wie es war.«
»Nein, was macht man dann?«
Allegretti blies die Wangen auf und ließ die Luft mit einer kleinen Explosion durch die Lippen entweichen.
»Nicht nur Bomben. Erpressung, Akten, Geld, Informationen. Und Richter.«
»Und Sie sagen mir jetzt, wer in diesen Krieg verwickelt ist. Wer ist es? Die Namen!«
»Eine lange Liste. Sie haben keine Vorstellung davon, wer alles dazugehört.«
»Und wer? Eine Partei? Eine Gruppierung, ein Clan, eine Loge? Wer?«
Allegretti hatte geseufzt, ohne etwas zu sagen, und es war klar und deutlich, dass sie ihm mehr als Seufzer nicht würde entlocken können.
»Nein, nein ... Das habe ich nie gesagt.«
Da hatte Sanna den Ricciutis einen Wink gegeben, sie packten Allegretti bei den Armen, Valentina sank wieder in den Sessel zurück, und hier endeten ihre Erinnerungen.
Die Männer dachten, es habe nicht mehr dieselbe Wirkung, Allegretti in die Kloschüssel zu tunken, also trugen sie ihn in den dritten Stock und hängten ihn aus dem Fenster, den Kopf voran. Die Seite ging zu den Feldern hinaus, niemand würde sie sehen. Sie machten dem Mann klar, dass er mit dem Kopf direkt auf der Treppe aufschlagen würde – was dann ja auch passierte –, und schüttelten ihn durch.
Die Ricciutis hielten ihn fest, am Ende vor allem der Jüngere, am Gürtel, der aber riss, sodass Allegretti abstürzte. Amen.
»Hören Sie«, sagte Sanna, »das war ja nicht Giuseppe Pinelli * , sondern ein verdammtes Arschloch, wir brauchen keine allzu großen Gewissensbisse zu haben, dass er uns aus dem Fenster gefallen ist. Wir schaffen ihn einfach irgendwie weg und ciao.«
Valentina schien ihm nicht einmal zugehört zu haben. Sie saß wieder mit dem Ellbogen auf der Armlehne da, das Kinn in die Hand, die andere Hand in die unverletzte Seite gestützt. Sanna musterte sie schweigend, mit zusammengekniffenen Lippen, eine Falte zwischen den Augenbrauen, mitten auf der Stirn.
Die Kleine.
Die Bambina.
Die Richterin.
Sie saß
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