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Richter

Richter

Titel: Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Ciancarlo de u Lucarelli Andrea u Cataldo Cammilleri
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Dottoressa, so, wie Sie aussehen, wirken auch nicht wie eine Richterin.«
    »Ich habe gefragt, für wen Sie arbeiten. Antworten Sie.«
    Allegretti zog sich die Jacke aus. Langsam, nach einem besorgten Blick auf den mit der Pistole. Kopfschüttelnd betrachtete er die Innentasche, die sie aufgerissen hatten, um seinen Dienstausweis herauszuziehen, dannlegte er die Jacke ordentlich gefaltet auf den Boden und krempelte sich die Hemdsärmel hoch.
    »Was machst du da?«, fragte der Ricciuto mit der Pistole.
    »Ich mach’s mir bequem«, sagte Allegretti. »Wie es aussieht, könnte dieses Gespräch länger dauern.«
    »Das glaube ich nicht«, entgegnete Sanna, und der jüngere Ricciuti glitt von der Trage, landete auf dem unverletzten Bein und hüpfte kurz auf einem Fuß, bevor er den anderen ebenfalls auf den Boden setzte. Misstrauisch ließ Allegretti von seinem Ärmel ab.
    »He«, sagte Valentina, »Moment mal, was wird das?«
    »Die Richterin geht kurz raus, eine rauchen, während die Ordnungskräfte die Vernehmung fortführen.«
    »Ich rauche nicht und ich bin nicht so eine Richterin. Es gibt Sachen, die macht man einfach nicht.«
    »Gewiss doch macht man sie, gewiss doch ...«, antwortete Sanna, und an die nickenden Ricciutis gewandt, fragte er: »Stimmt’s?«
    Allegretti war immer noch zu überrascht, um Widerstand zu leisten, und ließ sich ohne Weiteres hochheben. Valentina sank in den Sessel und zog die Beine an, als wolle sie sich hinter ihren Knien verstecken. Sie schloss die Augen und hörte gerade noch, wie Sanna fragte: »Klo oder Fenster?«, dann hielt sie sich die Ohren zu.
    Sannas Sachen passten ihr ganz gut, er war fast so zierlich wie sie. Nur die Hemdsärmel und Hosenbeine hatte sie etwas hochkrempeln müssen, die Hose war auch amBund zu weit, aber es ging. Seine Schuhe hingegen passten nicht, die waren eine Nummer zu klein. Erst hatte Valentina sie hinten runtergetreten wie Pantoffeln – Sanna hatte keine –, dann hatte sie sie ausgezogen und spazierte jetzt barfuß durch den Garten, die Schuhe in der Hand. Sie spürte den Kies des Gartenweges unter den Fußsohlen.
    Im Keller hatte sie es nicht mehr ausgehalten. Die Nachwirkungen der Beruhigungsmittel hatten sich verloren, sie fühlte sich fiebrig, elektrisiert und nervös nach dem Verhör, und die Seite tat ihr weh. So hatte sie Schwindel und Schmerzen getrotzt und sich die schräge Treppe hinaufgewagt, die in den Garten führte. Die frische Luft tat ihr gut, sie hatte einen klaren Kopf bekommen und dachte nach.
    Es stimmte nicht, dass der rosa Aktendeckel alles enthielt, was sie brauchte. Einiges schon, vielleicht sogar tatsächlich alles, nur war sie nicht imstande, es auszuwerten. Freilich, Überweisungen, Kontonummern, Firmennamen waren daraus zu erfahren, aber ihr fehlte der Schlüssel zur Deutung. Mit dem Buchhalter zusammen wäre es ihr vielleicht gelungen, doch der war weiß Gott wo. Möglicherweise hatte er sich tatsächlich abgesetzt, oder sie hatten ihn gleich ebenfalls beseitigt.
    Früher oder später würde sie zurückgehen müssen, sich auf einer Wache der Carabinieri melden. Dem Idioten, der die Sache jetzt betreute, den Aktendeckel aushändigen, damit er den Inhalt untersuchte. Allerdings ... Es waren auf illegalem Wege beschaffte Dokumente, von einer Gruppe Krimineller geraubt, die ihr inoffiziellzuarbeiteten und die sie nicht erwähnen konnte, sonst würden sie ins Gefängnis wandern.
    Valentina setzte sich auf eine Stufe und ließ eine Weile den Blick über die Hecken, die den Garten abschlossen, und über die umliegenden Felder schweifen. Das war wirklich das flache Land hier. Dann stützte sie den Kopf in die Hände.
    Die Bambina, so nannten ihre Kollegen sie also. Die Bambina. Als Allegretti das gesagt hatte, war sie erst wütend gewesen, dann hatte sie ein wenig darüber lächeln müssen. Doch wollte sie jetzt bloß noch weinen, weinen wie ein kleines Mädchen.
    Was dachte sie sich nur bei alldem? Sie war Richterin, und folglich hatte sie keine inoffiziellen Ermittlungen zu führen. Richter setzten Polizei und Carabinieri ein, die Finanzpolizei und manchmal auch die Geheimdienste. Und sämtliche Instrumente, die das Gesetzbuch bereithält. Aber doch nicht ihre kleine Privatarmee aus einem geschassten Arzt und zwei Panzerknackern. Es gab die Guten und die Bösen, sie zählte zu den Guten, die anderen zu den Bösen, so gehörte sich das.
    Ja, aber wenn sich beides mischte? Ferros Mörder waren Leute mit dem gleichen

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