Richter
Person.«
»Dem Jungen in dem Mini Minor.«
»Nummernschild und Beschreibung treffen zu.«
»Auch die Computerdiagramme und die Tabellen führen zu ihm.«
»Der Mann agiert allein, Dottore Mandati.«
»Der Sohn. Terenzio Berazzi-Perdicò. Er hat alles allein eingefädelt.«
»Was sollen wir tun? Einen Haftbefehl beantragen?«
8.
N ein. Bei Gott: Nein!
Diesmal lässt er sich nicht kleinhalten. Weder durch Gefühle noch durch den Respekt. Teufel noch mal! Alles hat seine Grenzen! Wie hatte Präsident Pertini einst gesagt? Auf einen Gauner anderthalb.
Er ließ sich den gesamten Papierkram bringen und wies Bardolfo an, den Bürgermeister anzurufen.
»Sag ihm, ich komme jetzt zu ihm. Er soll sich bereithalten.«
Terenzio. Zum zweiten Male kreuzten sich ihre Wege. Er stieg in den Wagen und hing seinen Erinnerungen nach.
Flashback.
Sommer 2000. Eine Ermittlung zum Drogenhandel in den besseren Schichten des Provinzhauptortes unter dem Tarnnamen Weißer Schnee . Es stellt sich heraus, dass ein paar Jungs aus der Jeunesse dorée von Novere an ihre Altersgenossen desselben Kreises dealen. Beschattungen, Abhöraktionen.
Irgendwann gerät Terenzio Berazzi-Perdicò ins Visier. Der Junge konsumiert fortwährend große Mengen Heroin,ein regelrechter Junkie. Der Vater weiß von nichts. Terenezio wird mit 20 Gramm hochreinem Heroin geschnappt, einer Menge an der Grenze zwischen persönlichem Bedarf und Dealerei.
Terenzio wird in Untersuchungshaft genommen und bekommt schwere Entzugserscheinungen. Er bricht vor Ottavio in Tränen aus und schlägt einen Handel vor: Sie sollen ihn freilassen und nach Hause schicken oder in eine Wohngemeinschaft, wohin sie wollen, nur nicht ins Gefängnis. Wenn sie es nicht tun, schneidet er sich die Pulsadern auf. Im Gegenzug bietet er Informationen über seinen Vater an. Kontonummern im Ausland. Adressen von Führungsfiguren des organisierten Verbrechens, mit denen sein Vater Geschäfte macht. Er hasst ihn, sagt er, diesen raumgreifenden Vater, der ihn behandelt wie einen Idioten und ihm gegenüber nie das kleinste bisschen Zuneigung an den Tag legt. Bardolfo und Pistola sind völlig aus dem Häuschen und werfen dem Staatsanwalt auffordernd-hoffnungsvolle Blicke zu. Das ist die große Gelegenheit, Chef. Schlagen wir ihm die Krallen ins Fleisch. Zeigen wir dem Bastard, wo der Hammer hängt. Wann, wenn nicht jetzt?
Auf einmal großer Lärm. Der Vater hat von der Verhaftung seines Sohnes Wind bekommen. Doch der Pierfiliberto, der bei ihnen aufkreuzt, ist ein besiegter, geknickter, zerstörter Mann. Seine Wahrheit widerspricht der des Sohnes. Pierfiliberto spricht von Liebe, von Zuneigung, von Hingabe, von seinen Anstrengungen, den Sohn vor dem Einfluss der schlechten Gesellschaft zu bewahren, er behauptet, ihm um jeden Preis helfen zuwollen. Er präsentiert Krankenhausakten. Berichtet von Selbstmordversuchen. Terenzio sei ein labiler Junge. Und er selbst ein armer, verzweifelter Vater.
»Ich bin zu allem bereit, um ihn zu retten. Auch zum Rücktritt.«
Bardolfo und Pistola jubeln. Der Wolf liefert sich dem Jäger aus, gefesselt und geknebelt. Triff eine Absprache mit ihm, Staatsanwalt, und zwar sogleich. Du hast ihn in der Hand. Seit Monaten schon predigt er im Fernsehen das Ende der Toleranz, die Notwendigkeit harter Maßnahmen gegen asoziales Verhalten, seit Monaten organisiert er Umzüge mit den Betschwestern von Novere, um »das Gewissen der Leute wachzurütteln«. Was für ein Donnerschlag: Der Moralprediger hat einen Junkie zum Sohn. Mach ihn fertig! Ruf die freie Presse hinzu. Ruf das Fernsehen. Stell ihn bloß. Hol dir Novere zurück, und vor allem: Gib es uns wieder!
Doch Ottavio zaudert. Sein Gewissen rebelliert. Er geht wieder zu Terenzio in die Zelle. Der Junge zittert, erbricht sich, zappelt, schlägt den Kopf an die Wand. Gegen alle Regeln erlaubt Ottavio dem Vater einen Besuch. Er bleibt vor der Sicherheitszelle. Er weiß nicht, was die beiden besprechen, er will es nicht wissen. Er ahnt den fast heiligen Charakter dieser Unterredung und will sich nicht einmischen. Nach rund zehn Minuten kommt Pierfiliberto heraus, erschüttert.
»Mein Angebot steht immer noch.«
Vor ihm ein erledigter Mann. Er wird das nicht ausnutzen. In Pierfilibertos verzweifelten Augen sieht er sich selbst als Vater. Jedem, auch dem schlimmsten Verbrecher,kann Kummer mit seinem Kind zustoßen. Und wenn es morgen Lucio sein sollte? Wäre ich dann nicht auch mitschuldig und würde um Milde betteln?
Weitere Kostenlose Bücher