Richter
bist erst zufrieden, wenn man Pierfiliberto etwas angetan hat.«
»Was hältst du davon?«, fragte er Lucio.
»Ich hab keine Lust, darüber zu reden.«
»Offenbar hast du nie Lust, über irgendetwas zu reden.«
»Was soll ich denn sagen? Du bist besessen von dem Kerl! Geh zum Psychiater!«
»Schau, diesmal bin ich es ja gar nicht, der ihm nachstellt ...«
»Sei doch wenigstens dieses eine Mal ehrlich! Und wenn du es nur dir selbst gegenüber bist!«
»Ach, scher dich doch zum Teufel, wenigstens dieses eine Mal!«
Am Abend fand er das Haus leer vor. Frau und Sohn waren zu einer Tante in der Nähe von Rom gezogen. Das versetzte ihm einen schmerzlichen Stich. Das Gefühl, verraten und verlassen worden zu sein von denen, die doch an ihn glauben sollten. Dabei hatte gerade Teresa ihn einst aus der Verzauberung geweckt, die Pierfiliberto auf ihn ausgeübt hatte.
Es war ihm nur ein einziges Mal gelungen, sie zu einem Fest seines alten Klassenkameraden mitzuschleifen, und dort geschah es. Nie würde er den halb verwunderten, halb mitleidigen Blick vergessen, den Teresa ihm zugeworfen hatte. Sie befanden sich in einem großen Wohnraum: schöne Damen und Dämchen, nicht gerade dezent bekleidet, Geschäftsleute, eine Handvoll Lokalpolitiker, ein paar Geistliche. Pierfiliberto sang und begleitete sich selbst mit der Gitarre. Er hatte eine schöne Stimme. Alle wetteiferten darum, in seiner Nähe zu stehen. Bei einer augenzwinkernden Version von Pazza idea sah Teresa Ottavio auf einmal merkwürdig an. Als wollte sie sagen: Was um Himmels willen tust du hier? Was hast du mit diesen Leuten gemeinsam? Er nahm sie beiseite.
»Was ist? Amüsierst du dich nicht?«
»In was für einer Welt lebst du, Ottavio? Merkst du denn gar nichts?«
»Was denn? Wir tun doch nichts Böses, würde ich meinen ...«
»Entschuldige, aber wo sind eigentlich die Partnerinnen dieser Männer? Siehst du nicht, dass wir hier das einzige Paar sind? Das sind Nutten. Du bist ja blind wie Mister Magoo!«
»Teresa, also wirklich ...«
»Nutten!« Pierfiliberto breitete die Arme aus. »Was für ein unschönes Wort! Begleiterinnen viel eher. Und was ist schlecht daran, wenn ein Mann sich von Zeit zu Zeit ein bisschen entspannt ... Pass du lieber auf, deine Teresa da kommt mir vor wie eine halbe Nonne ... Du wirst doch keine Feministin heiraten, oder?«
»Jetzt mach mal halblang!«
»Oh, Ottavio, diese Leute sind mir nützlich. Und zwar für mein Projekt. Uns sind sie nützlich, müsste ich sagen. Schau, das hier ist ein erstarrtes, überaltertes, zurückgebliebenes Nest. Ideen zu haben genügt nicht. Es braucht auch Beine, auf denen sie gehen können. Es ist ja nicht meine Schuld, wenn das die Beine von diesen Idioten sein müssen. Du weißt, wie gern ich ohne sie auskommen würde. Aber das geht nicht. Es geht eben nicht. Diese Herrschaften, die sich so piekfein geben, das sind für uns Arschlöcher auf Beinen. Und wir zwei, du und ich, die Herausragenden, wir nehmen die Beine und werfen die Arschlöcher ins Meer. Mein lieber Freund, das hier ist der Moment der Entscheidung: entwederherausragend hier, heute, mit mir ... oder Trantüte für immer!«
In genau dem Augenblick damals fiel sein Entschluss, für immer zu den Trantüten zu gehören. Und das hatte er nie bereut. Auch der Verdruss, dass Teresa und Lucio ihn verlassen hatten, legte sich bald. Sie hatten ihre Gründe. Er selbst sah es auch manchmal so, dass er sie gegen ihren Willen in einen sinnlosen Kampf hineingezogen hatte. Die Leute liebten Pierfiliberto. Sie hatten ihn als ihren Vertreter gewählt und verteidigten ihn mit gezücktem Schwert. Er dachte an den armen Maestro Vito zurück: War das nicht, im Guten wie im Schlechten, der eigentliche Sinn der Demokratie? Wäre es nicht »demokratischer«, alles aufzugeben?
Um Mitternacht, er versuchte gerade, sich auf den alten italienischen Film In nome del popolo italiano zu konzentrieren, kreuzten Bardolfo und Pistola auf.
»Wir haben ein Bekennerschreiben.«
»Via Internet.«
»Sie nennen sich Brigate Novere libera.«
»Und sie haben eine IP-Adresse hinterlassen.«
»Diesmal haben wir sie im Sack. Sämtliche Informatiker sind alarmiert, die Terrorabwehr ebenso. Es wird ein bisschen dauern, aber diesmal haben wir sie im Sack!«
7.
W ährend man noch darauf wartete, dass die Informatik-Ermittlungen Früchte trugen, die Terrorabwehr ihre Arbeit tat und die Informanten informierten, entging Pierfiliberto Berazzi-Perdicò einem dritten
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