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Richter

Richter

Titel: Richter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlo Ciancarlo de u Lucarelli Andrea u Cataldo Cammilleri
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sodass er aussieht wie ein Globalisierungsgegner. Klick. Der Staatsanwalt in einem auberginenfarbenen Mini Minor. Klick. Der Staatsanwalt schießt mit einem Gewehr auf den Bürgermeister.
    »Na, was sagst du?«
    Ottavio drehte sich verwirrt um. Bardolfo zuckte mit den Schultern.
    »Dottore, ich muss halt diesen Kredit abzahlen, und ...«
    »Sag doch alles, verflucht noch mal!«, unterbrach ihn Pistola mit blutunterlaufenen Augen, den Zeigefinger zum Staatsanwalt ausgestreckt. »Du bist ein Loser, Ottavio Mandati! Und ich hab’s gründlich satt, immer zu den Losern zu gehören! Ich will auch mal gewinnen, wenigstens ein Mal! Klar?«
    Ottavios Blick begegnete dem von Terenzio, der lächelnd die Arme ausbreitete ...
    »Wie der Vater ...«
    Aus der Tiefe seiner Eingeweide entrang sich ihm der Schrei eines verletzten Tieres. Er warf sich auf die Akte, die echte, und wedelte krankhaft besessen mit ihr herum.
    »Oh nein! Mich machst du nicht fertig! Ihr macht mich nicht fertig! Niemand macht mich fertig! Hier drin sind die Beweise! Die Wahrheit!«
    »Nun ja«, kicherte Pierfiliberto, »Wahrheiten gibt es mindestens zwei. Deine und unsere.«
    »Du weißt ja nicht mal, was das ist, die Wahrheit!«
    »Zugegeben. Aber was meinst du, wem werden die Leute glauben? Dir, der du mich ein Leben lang hasst und der du immer verloren hast, oder mir, den die Leute mögen und der immer gewinnt?«
    Und dann stimmten der Bürgermeister, sein Sohn und die Carabinieri wie auf ein unmerkliches Zeichen einen Gesang im Hiphop-Rhythmus an:
    Lasst alle Hoffnung fahren
    Oh, yeah
    lasst alle lasst alle
    lasst alle Hoffnung fahren
    oh, yeah
    Ihr, die ihr eintretet
    lasst alle
    lasst alle
    lasst alle Hoffnung fahren
    Ottavio schwankte. Vergebens suchte er eine Stütze, einen Hebel, irgendetwas, das ihm aus dem Dunkel helfen würde, das er in sich aufsteigen spürte. Doch er fand es nirgends.

9.
    B ardolfo und Pistola waren am 18. März pünktlich um neun Uhr zur Stelle. Der Staatsanwalt, immer noch unter dem Einfluss des zweiten Traums, empfing sie mit einem unbestimmten Lächeln.
    Der Weg zum Gericht. Der Eingang. Die kleine Menge der Unterstützer von Berazzi-Perdicò, Tafano Tafàni auf der Lauer ... Es war ganz wie in jenem Film, in dem der arme Bill Murray ein und denselben Tag immer wieder und wieder erleben muss. Wie hieß der noch mal, verflixt? Na, egal. Anders als sonst jedoch die kleine Ehrengarde, die vor dem Saal der Ermittlungsrichterin wartete, kommandiert von einem jungen Capitano in Galauniform, der mit gerecktem Säbel in Habachtstellung verharrte.
    Das war doch aber übertrieben!
    »Rührt euch. Erfreut, Sie kennenzulernen, Capitano, ich bin Staatsanwalt Mandati«, und er ging mit ausgestreckter Hand auf ihn zu.
    Der andere jedoch ignorierte ihn, umrundete ihn mit einem graziösen Menuettschritt, steckte den Säbel in die Scheide und eilte dienernd auf Berazzi-Perdicò zu, der just in diesem Augenblick auftauchte, gefolgt voneinem Kometenschweif aus kampflustigen, aufgeblasenen Winkeladvokaten. Danke, mir geht es gut, murmelte der Staatsanwalt für sich und fuhr fort: Na egal, wen schert’s, gesegnet sei der Traum, der Albtraum, der mir klargemacht hat, wie allein ich bin. Aber besser allein als in schlechter Gesellschaft.
    »Nanu, Dottore, reden Sie heute in Sprichworten?«
    Pistola wirkte tatsächlich befremdet. Trotz der merkwürdigen Gelassenheit, die er verspürte, verlor Ottavio doch in gefährlichem Maße den Kontakt zur Realität. Er schwor sich, gleich nach der Sitzung einen Neurologen aufzusuchen.
    Höchst herrschaftlich trat Pierfiliberto auf ihn zu und drückte ihm die Hand, eine sogleich von Blitzlichtern verewigte Geste. Ottavio lächelte ihn an. Pierfiliberto verbeugte sich. Ottavio zog den Kopf zwischen die Schultern.
    Die Richterin, ebenjene rundlich-joviale Kollegin aus dem Traum, betrat den Raum. Alle sprangen auf, und ebenso rasch machten sie es sich wieder bequem.
    »Also«, sagte die Kollegin, »heute verhandeln wir ...«
    »Frau Vorsitzende, wenn Sie erlauben« – und Gianmaria Allegro Appella, Nummer eins des Verteidigergremiums, sprang auf die Füße –, »wir hätten da vor Verhandlungsbeginn noch einen Einspruch geltend zu machen.«
    Ottavio bemühte sich, Selbstsicherheit an den Tag zu legen, obgleich da, wie der Stich einer kleinen Nadel ...
    »Worum genau handelt es sich?«
    »Unserer Meinung nach sind die Mitschnitte der Telefonate nicht gerichtstauglich.«
    Ottavio entschlüpfte ein Auflachen.

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